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Nächster Akt im Brexit-Drama : Mays Balanceakt und Corbyns Wagnis

Hat es nicht leicht: Theresa May. Bild: Reuters

Die Diskussion und die Verschiebung des Brexits erfasst immer mehr Abgeordnete im britischen Unterhaus. Premierministerin May sprach sich dagegen aus, lässt aber mit einer Formulierung Zweifel daran aufkommen. Und dann wechselt auch noch Labour-Chef Corbyn seinen Kurs.

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          Während Theresa May versuchte, der EU in Ägypten letzte Konzessionen abzutrotzen, spekulierte ihre Partei in London über eine Verschiebung des Austrittstermins. Am Abend veränderte dann auch noch Oppositionschef Jeremy Corbyn die Brexit-Arithmetik, als er einen Kurswechsel seiner Partei ankündigte. Die Labour Party werde sich nun im Parlament für ein „öffentliches Votum“ einsetzen, ließ er mitteilen, bevor er seine Fraktion über die unerwartete Veränderung informierte. Zunächst blieb unklar, wann und wie er die Initiative einbringen will und worüber das Votum, mit dem wohl ein zweites Referendum gemeint war, abgehalten werden soll.

          Jochen Buchsteiner
          Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

          Mehrere Abgeordnete wollen das Unterhaus vermutlich am Mittwoch über Modelle einer Fristverlängerung abstimmen lassen. Zugleich signalisierte der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Tobias Ellwood, dass May den Vorstößen zuvorkommen und schon an diesem Dienstag ankündigen könnte, eine Verschiebung in Brüssel zu beantragen. Der Druck auf May, die am 29. März ablaufende Austrittsfrist zu verlängern, ist gewachsen, seit sie das Votum des Unterhauses über das Austrittsabkommen mit der EU abermals hinausgezögert hat. Es soll nun am 12. März stattfinden, 17 Tage vor dem Austrittsdatum.

          Selbst wenn es ihr gelänge, den Deal über die parlamentarische Hürde zu bringen, halten viele eine kurze Verlängerung für unumgänglich, weil nur so die nötigen Begleitgesetze zum Brexit verabschiedet werden könnten. Der Fall, der hitziger debattiert wird, ist aber eine zweite Ablehnung des Austrittsabkommens – denn dann drohte gut zwei Wochen später der ungeregelte Brexit. Dies will eine Mehrheit im Parlament verhindern.

          Nicht ein drittes Mal „foppen“ lassen

          Bislang war es May gelungen, die Verlängerungsbefürworter bei der Stange zu halten, indem sie ihnen jeweils spätere Termine garantierte, zu denen sie einen solchen Vorstoß im Unterhaus unterstützen könnten. Ob ihr dies ein weiteres Mal glückt, ist ungewiss. Die Verschiebung des entscheidenden Votums wird nicht nur auf den Oppositionsbänken kritisiert. Man lasse sich nicht ein drittes Mal „foppen“, wurde ein Minister in der Zeitung „The Times“ zitiert.

          Ein Antrag von Abgeordneten der Labour Party und der Tories würde May zwingen, eine neun Monate dauernde Verlängerung der Austrittsfrist zu beantragen, sollte bis Mitte März kein Deal stehen. Corbyn kündigte am Montag an, diesen Antrag zu unterstützen. Um eine Niederlage zu verhindern, könnte die Regierung dazu aufrufen, für einen alternativen Antrag aus der Konservativen Partei zu stimmen, der eine weniger verbindliche – und nur knapp zweimonatige – Verlängerung befürwortet.

          May sagte am Montag, eine Verlängerung der Austrittsfrist würde die Probleme nicht lösen, sondern nur aufschieben. Aufmerksamkeit erregte jedoch eine Formulierung. Während sie früher ihre „Entschlossenheit“ hervorgehoben hatte, die EU am 29. März zu verlassen, sagte sie am Montag, ein Austritt zum geplanten Zeitpunkt sei „in Reichweite“. Das klang fast so, als habe die Zeitung „Daily Telegraph“ korrekt berichtet, als sie am Montag meldete, Downing Street plane intern bereits mit einer Verlängerung der Austrittsfrist von etwa zwei Monaten. EU-Ratspräsident Donald Tusk bezeichnete einen Aufschub am Montag als „rationale Lösung“ und sagte den „guten Willen“ der Mitgliedstaaten zu, sollte London diesen beantragen.

          Für May wäre es ein Balanceakt. Einerseits drohte sie mit einer Verlängerung die Brexiteers gegen sich aufzubringen. Andererseits ließen sie sich so womöglich disziplinieren: Eine Zustimmung zum ungeliebten Deal könnte ihnen attraktiver erscheinen als die Aussicht auf einen späteren Austrittstermin mit einem möglicherweise „weicheren“ Brexit oder gar ein einem zweiten Referendum. Corbyns Ankündigung, im Parlament für ein „öffentliches Votum“ einzutreten, könnte diese Neigung noch verstärken.

          Für den Labour-Chef ist der Strategiewechsel ein Wagnis. Viele in der Partei hatten ihn zu diesem Schritt gedrängt, aber er droht jene zu verprellen, die mit Blick auf die Brexit-Anhänger unter den Labour-Wählern gegen ein zweites Referendum sind. Der Labour-Abgeordnete Hilary Benn, Vorsitzender des Brexit-Auschusses im Unterhaus, vermutete am Montagabend, dass die Briten in einem zweiten Referendum zwischen „Mays Deal“ und dem Verbleib in der EU entscheiden würden. Aber einflussreiche Labour-Mitglieder sagten in den vergangenen Monaten, das Referendumsergebnis von 2016 verbiete eine Verbleiboption auf dem Wahlzettel. Auch jenseits dieser Frage zeichnet sich bislang keine Mehrheit für ein zweites Referendum ab. May und die Mehrheit der Konservativen Partei haben sich dagegen ausgesprochen, und auch in der Labour Party halten Dutzende Abgeordnete (aus Brexit-Wahlkreisen) nichts von einer weiteren Volksabstimmung.

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