Terroranschlag in Wien : „Wir versuchen gemeinsam die Wunden zu heilen“
- -Aktualisiert am
Gedenken für die Opfer des Terroranschlags vom 2. November 2020 vor der Ruprechtskirche in Wien Bild: EPA
Das Gedenken an die Opfer des Terroranschlags in der Wiener Innenstadt vor einem Jahr wird von scharfer Kritik an der Regierung begleitet. Die SPÖ warf ihr „Empathielosigkeit“ und „Verantwortungsflucht“ vor.
Österreich hat am Dienstag mit mehreren Veranstaltungen der Opfer des Terroranschlags in der Wiener Innenstadt vor einem Jahr gedacht. Die Spitzen der Republik versammelten sich am späten Nachmittag in der Ruprechtkirche. Sie liegt in dem Viertel, in dem ein islamistischer Terrorist am 2. November 2020 mit einem Sturmgewehr und einer Pistole vier Personen getötet und mehr als 20 teils schwer verletzt hat. Bundespräsident Alexander Van der Bellen gedachte der Opfer des „feigen terroristischen Attentats“, erinnerte aber auch an viele Menschen, die ihr Leben und ihre Gesundheit „in die Waagschale geworfen“ hätten, um andere zu beschützen. „Wir versuchen gemeinsam, die Wunden zu heilen.“
Auch die Regierungsspitze und führende Politiker aller Parlamentsparteien nahmen teil, bis auf FPÖ-Chef Herbert Kickl, der, wie es hieß, verhindert sei. Zuvor hatte bereits die Stadt Wien mit Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ein Gedenken abgehalten. Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) sprach den verletzten Opfern und den Hinterbliebenen der Toten „unser tief empfundenes Mitgefühl“ aus. Doch so unmenschlich die Tat gewesen sei, so menschlich seien Hilfe und Solidarität zu diesem Zeitpunkt gewesen.
Repräsentanten von Religionsgemeinschaften waren ebenfalls vertreten. Der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, erinnerte auch an die Opfer des Holocausts, die „mit einer vergleichbaren Ideologie in den Tod getrieben“ worden seien. Er fragte: „Wie kommt es zu solchen Haltungen?“ Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich teilte in einer Stellungnahme mit: „Die Gräueltaten einer gewaltverherrlichenden und entmenschlichenden Ideologie haben ein ganzes Land in tiefe Trauer gestürzt.“ Die Israelitische Kultusgemeinde hielt eine Mahnwache ab.
Zugleich kritisierten die Oppositionsparteien heftig die „türkis-grüne“ Regierung. Die SPÖ sprach von „Verantwortungsflucht“, weil Fehler der Sicherheitsbehörden in der Zuständigkeit der ÖVP auf Beamte abgeschoben würden, sowie von „Empathielosigkeit“, weil man sich nicht bei den Opfern „und der ganzen Bevölkerung“ entschuldigt habe. Der FPÖ-Vorsitzende Kickl, vormals selbst Innenminister, forderte den Rücktritt des Amtsinhabers Karl Nehammer (ÖVP), der die Verantwortung für „etliche Pannen im Vorfeld“ trage. Kanzler, Vizekanzler und Innenminister wollten am Abend in einer Polizeikaserne Einsatzkräfte auszeichnen, denen es gelungen war, den Täter in mehrere Schusswechsel zu verwickeln und neun Minuten nach dem ersten Notruf zu töten.