https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/taiwan-konflikt-china-verhaengt-sanktionen-gegen-nancy-pelosi-18222921.html

Nach Taiwan-Besuch : China setzt Kooperation mit Washington bei Klimaschutz und Verteidigung aus

  • Aktualisiert am

Die „Sprecherin“ des amerikanischen Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi am Freitag in Tokio Bild: dpa

China setzt die Gespräche über Klimaschutz und Verteidigung mit den Vereinigten Staaten aus Protest gegen die Taiwan-Reise von Nancy Pelosi aus. Die „Sprecherin“ des Repräsentantenhauses belegt Peking mit Sanktionen.

          4 Min.

          Als Reaktion auf den Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan setzt Peking die Zusammenarbeit mit Washington bei Themen wie Klima und Verteidigung aus. Dies teilte das chinesische Außenministerium am Freitag mit. Demnach werden die amerikanisch-chinesischen Gespräche über Maßnahmen gegen den Klimawandel ausgesetzt und mehrere Treffen zu Verteidigungsthemen abgesagt.

           China beschloss am Freitag zudem Sanktionen gegen die „Sprecherin“ des amerikanischen Repräsentantenhauses. „Trotz Chinas ernsthafter Bedenken und entschiedenen Widerstands bestand Pelosi darauf, Taiwan zu besuchen, sich ernsthaft in Chinas innere Angelegenheiten einzumischen, Chinas Souveränität und territoriale Integrität zu untergraben, die Ein-China-Politik mit Füßen zu treten und den Frieden und die Stabilität der Taiwanstraße zu bedrohen“, begründete ein Sprecher des Außenministeriums in Peking am Freitag den Schritt. Das Ministerium warf Pelosi vor, „boshaft“ und „provokativ“ gehandelt zu haben. Die Sanktionen würden auch für ihre unmittelbaren Angehörigen gelten.

          Der amerikanische Außenminister Antony Blinken warf China unterdessen vor, mit Raketentests und Militärübungen den Status quo in der Meerenge der Taiwanstraße ändern zu wollen. Bei dem Treffen der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean im kambodschanischen Phnom Penh sagte Blinken am Freitag, es gebe keine Rechtfertigung für die militärische Reaktion auf den friedvollen Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan, wie ihn ein westlicher Vertreter laut Nachrichtenagentur Bloomberg zitierte.

          Blinken betonte, dass sich die amerikanische Politik gegenüber Taiwan nicht geändert habe, aber dass China zunehmen provokative Schritte unternehme, um den Status quo zu stören, wie ihn der westliche Vertreter laut Bloomberg weiter zitierte.

          USA verschieben Raketentest

          Die Asean-Außenminister hatten am Vortag alle Seiten zu äußerster Zurückhaltung aufgerufen. Mit Blick auf den Besuch Pelosis in Taiwan forderten sie, von provokativen Aktionen Abstand zu nehmen. Die Krise könne zu „offenen Konflikten“ und „unvorhersehbaren Konsequenzen“ führen.

          Als Reaktion auf die jüngste Verschärfung des Konflikts um Taiwan hatten die USA nach Angaben des Weißen Hauses den Test einer ballistischen Interkontinentalrakete verschoben. Es sei nicht im Interesse der USA, Taiwans und der Region, „dass eine weitere Eskalation der Spannungen zugelassen wird“, sagte der für Themen der nationalen Sicherheit zuständige Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby, am Donnerstag. 

          Während China „destabilisierende militärische Übungen rund um Taiwan“ vornehme, demonstrierten die Vereinigten Staaten stattdessen „das Verhalten einer verantwortungsbewussten Atommacht, indem sie die Risiken einer Fehlkalkulation reduzieren“, sagte Kirby weiter. Zugleich teilte er mit, dass der US-Flugzeugträger „USS Ronald Reagan“ weiterhin in der Nähe von Taiwan bleiben werde, um „die Lage zu überwachen“.

          Die taiwanesische Armee teilte unterdessen mit, dass das chinesische Militär am zweiten Tag seiner Manöver mehrfach die inoffizielle Seegrenze zwischen China und Taiwan überschritten habe. „Mehrere chinesische Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe“ hätten bereits am Vormittag (Ortszeit) die Mittellinie in der Taiwanstraße überquert, erklärte das Verteidigungsministerium in Taipeh am Freitag.

          Taiwans Premier kritisiert „Machtdemonstration“ des „boshaften Nachbars“

          Taiwans Premierminister Su Tseng-chang verurteilte die Manöver mit scharfen Worten. Die Regierung in Taipeh habe nicht erwartet, „dass der boshafte Nachbar eine Machtdemonstration vor unserer Haustür abhalten und willkürlich die meistbefahrenen Seerouten der Welt mit Militärübungen aufs Spiel setzen würde“, sagte Su vor Journalisten. Die Taiwanstraße zwischen China und Taiwan ist eine der wichtigsten Schiffsrouten der Welt. Das taiwanische Verteidigungsministerium nannte die Manöver am Freitag einen „höchst provokativen Akt“.

          Die Mittellinie der Taiwanstraße, die Chinas Streitkräfte nun Taipeh zufolge mehrfach überschritten haben, ist eine inoffizielle, aber weitgehend eingehaltene Grenze in der Mitte der Taiwanstraße, die China und Taiwan trennt. Bereits am Mittwoch und Donnerstag hatte China Taipeh zufolge 49 mal die Mittellinie überquert, 44 mal seien Kampfflugzeuge verantwortlich gewesen.

          Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe hatten diese Linie lange Zeit selten überquert, seit 2020 wurden chinesische Grenzüberschreitungen aber häufiger, insbesondere durch das Eindringen von Kampfflugzeugen in die Luftverteidigungszone Taiwans. Diese ist nicht gleichbedeutend mit dem taiwanischen Luftraum und überschneidet sich teilweise mit der chinesischen Verteidigungszone.

          Die Spannungen rund um den Status von Taiwan, das von China als abtrünniges und wieder mit dem Festland zu vereinigendes Gebiet betrachtet wird, waren durch den Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in dem Inselstaat angeheizt worden.

          Bisher größtes chinesisches Manöver vor Taiwan

          Als Reaktion auf diesen Besuch begann China am Donnerstag mit seinen bisher größten Militärmanövern vor der taiwanischen Küste. Dabei feuerte die chinesische Armee nach taiwanischen Angaben elf ballistische Raketen aus der Dongfeng-Reihe ab. Die beteiligten Kampfflugzeuge und Schiffe kamen den Angaben zufolge bis auf 20 Kilometer an die taiwanische Küste heran.

          Kirby bezeichnete das Abfeuern der elf Raketen als eine überzogene Reaktion auf den Pelosi-Besuch. „China hat beschlossen, überzureagieren und den Besuch der Sprecherin als Vorwand zu benutzen, um provokative militärische Aktivitäten in und um die Taiwanstraße auszuweiten“. Die Lage beschrieb Kirby mit den Worten: „Die Temperatur ist ziemlich hoch.“

          Das chinesische Militär hatte zuvor Übungen für „einen Angriff mit konventionellen Raketen an mehreren Orten und mit mehreren Waffentypen“ vor der Küste Taiwans bestätigt. Alle Raketen hätten „ihr Ziel präzise getroffen“ und „die Schlagpräzision und die Fähigkeit zur Gebietsverteidigung“ getestet.

          Ranghöchster Besuch seit 25 Jahren

          Pelosi hatte ungeachtet scharfer Warnungen aus Peking am Dienstag und Mittwoch Taiwan besucht. Die Sprecherin des Repräsentantenhauses war die ranghöchste US-Vertreterin seit 25 Jahren, die nach Taiwan reiste. Sie erklärte, ihr Besuch mache „unmissverständlich klar“, dass die USA einen demokratischen Verbündeten wie Taiwan nicht allein ließen.

          Seit der Abspaltung Taiwans von China will Peking die Insel wieder mit dem Festland vereinigen – notfalls mit militärischer Gewalt. Bereits vor dem Pelosi-Besuch hatte der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine Befürchtungen im Westen geschürt, China könnte im Umgang mit Taiwan ebenfalls auf ein solches Vorgehen setzen.

          Weitere Themen

          Merz wirft Scholz „Gleichgültigkeit“ vor

          Flüchtlinge : Merz wirft Scholz „Gleichgültigkeit“ vor

          Der CDU-Chef kritisiert die Bundesregierung angesichts von Problemen bei der Unterbringung von Migranten als tatenlos. Die FDP-Bundestagsfraktion dringt auf eine Eindämmung der hohen Flüchtlingszahlen.

          Topmeldungen

          CDU-Chef Friedrich Merz

          Flüchtlinge : Merz wirft Scholz „Gleichgültigkeit“ vor

          Der CDU-Chef kritisiert die Bundesregierung angesichts von Problemen bei der Unterbringung von Migranten als tatenlos. Die FDP-Bundestagsfraktion dringt auf eine Eindämmung der hohen Flüchtlingszahlen.
          Die Minister Christian Lindner (links) und Robert Habeck nach dem Koalitionsausschuss: Was der FDP gefällt, ist für die Grünen schwer zu verkraften.

          Nach der Ampel-Sitzung : Grüner wird’s nicht mehr

          Nach der langen Sitzung in Berlin frohlockt die FDP über den Pragmatismus der SPD und lobt den Kanzler. Der dritte Partner im Bunde steht plötzlich allein da.
          Volkswagen-Werk in Brasilien

          Brasilien : VW lehnt Einigung zu möglicher Sklavenarbeit ab

          Die brasilianische Staatsanwaltschaft wirft Volkswagen do Brasil schwere Menschenrechtsverletzungen auf einer früheren Farm im Amazonasgebiet vor. Der Autokonzern weist die Behauptungen zurück. Gespräche über ein Abkommen zur Wiedergutmachung sind nun gescheitert.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.