Gastbeitrag : Deutschland muss Peking in Taiwan die Stirn bieten
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Während einer Übung vor den Feierlichkeiten anlässlich des Nationalfeiertages am 10. Oktober fliegen Hubschrauber mit der taiwanischen Flagge über die Hauptstadt Taipeh. Bild: Reuters
Peking erhöht den Druck auf deutsche Akteure, die Ein-China-Politik umzudeuten. Deutschland muss sich zur Unabhängigkeit Taiwans positionieren – und wenn nötig wirtschaftliche Druckmittel einsetzen. Ein Gastbeitrag.
„Mehr Mut und mehr Risikobereitschaft“ wünsche er sich von der Chinapolitik der nächsten Bundesregierung, sagte im Mai Friedolin Strack, der im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) als Abteilungsleiter für internationale Märkte verantwortlich ist. Und er machte dazu einen konkreten Vorschlag: „Wie wäre es denn, wenn die zukünftige Bundesregierung die Sicherheit und Unantastbarkeit Taiwans in den Koalitionsvertrag hereinschreibt?“
In der Tat: Die Ampel-Koalitionäre sollten in der nächsten Legislaturperiode mutig in die Beziehungen zu Taiwan investieren, aus wohlverstandenem wirtschaftlichen und friedenspolitischen Eigeninteresse.
Als Demokratie ist Taiwan nicht nur ein Wertepartner, sondern Hochtechnologiestandort mit vielen Kooperationschancen für Wirtschaft und Wissenschaft. Der taiwanische Marktführer TSMC etwa ist für mehr als die Hälfte der globalen Hochleistungs-Halbleiterproduktion verantwortlich. Gleichzeitig steht die Insel mit ihren 24 Millionen Einwohnern unter wachsendem Druck aus Peking. Der chinesische Präsident Xi Jinping hat jüngst das Ziel der Wiedervereinigung mit aggressiven militärischen Machtdemonstrationen gegenüber Taipeh bekräftigt.
Ein militärischer Konflikt um Taiwan zwischen China und den Vereinigten Staaten mit unkalkulierbaren Folgen ist eines der größten Risiken für regionale und globale politische und wirtschaftliche Stabilität. Deutschland und Europa haben bei einem Konflikt um Taiwan keine militärische Rolle. Aber sie können und müssen einen politischen Beitrag zu einer glaubwürdigen Abschreckung Pekings leisten, den Status Quo nicht mit Zwangsmitteln zu ändern und den Frieden in der Taiwan-Straße zu wahren.
Für die Intensivierung der Beziehungen zu Taiwan finden sich bei allen drei Koalitionsparteien klare Ansatzpunkte. Die Wahlprogramme von FDP und Grünen erwähnen die stärkere Unterstützung Taiwans ausdrücklich. Im sehr knappen SPD-Wahlprogramm fehlt dies, jedoch sprach sich das China-Grundsatzpapier der SPD-Bundestagsfraktion im vergangenen Jahr klar für den Ausbau der Beziehungen aus.
Deutschland sollte international vorangehen
Eine weitere Blaupause kommt aus Brüssel: Vergangene Woche sprach sich das EU-Parlament mit überwältigender Mehrheit für eine umfassende Stärkung der Beziehungen zu Taiwan aus – im Rahmen der bestehenden Ein-China-Politik, die dafür viel Spielraum lässt. Dazu gehören ein bilaterales Investitionsabkommen zwischen der EU und Taiwan sowie eine Vielzahl politischer, wirtschaftlicher und zwischengesellschaftlicher Maßnahmen. Bemerkenswert ist, dass sich die Spitzen von EU-Kommission und Europäischem Auswärtigen Dienst entschlossen zur Taiwan-Agenda des Europaparlaments bekannt haben. Diese Einigkeit in Brüssel ist alles andere selbstverständlich. Doch sie entfaltet nur dann die volle Durchschlagskraft, wenn Mitgliedsstaaten die Taiwan-Agenda kraftvoll unterstützen durch eigenes Handeln.
Deutschland sollte hier vorangehen. Die deutsche Seite sollte sich weiterhin mit Nachdruck für die bessere Vertretung Taiwans in internationalen Organisationen einsetzen. Die Weltgesundheitsorganisation und die UN-Klimarahmenkonvention etwa würden sehr von Taiwans Erfahrung profitieren, doch Peking organisiert mit aller Macht Widerstand gegen Taipehs Beobachterstatus. Auch sollten Regierung und Bundestag die politischen Kontakte mit Taiwan intensivieren, ohne sich dabei von Peking einschüchtern zu lassen.
Peking versucht seit geraumer Zeit, eine Uminterpretation der Ein-China-Politik durchzusetzen. Als der Menschenrechtsausschuss des Bundestags im vergangenen Oktober Gespräche mit Vertretern Taiwans führte, protestierte die chinesische Botschaft scharf. Sie argumentierte, dass China sich „entschieden gegen jede Form von offiziellen Kontakten“ wende und hoffe, dass „die deutsche Seite ihre Verpflichtung weiterhin einhält und die Ein-China-Politik vollständig und korrekt umsetzt“.