Bürgerkrieg in Syrien : Ringen um Waffenruhe in Aleppo
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Rauch über Aleppo: Die syrische Stadt leidet besonders in dem seit über vier Jahren andauernden Bürgerkrieg. Bild: AP
Die Stadt Aleppo ist von fast vier Kriegsjahren schwer gezeichnet. Die Freie Syrische Armee hat zwar zugesichert, sich an einen möglichen Waffenstillstand zu halten. Doch die Chancen, dass die Waffen wirklich schweigen, sind gering.
Der syrische Oppositionsführer Khaled Khoja hat zugesichert, dass sich die Freie Syrische Armee (FSA) an einen möglichen Waffenstillstand in Aleppo halten werde, sollte es zu „einer echten Lösung“ kommen. Am Donnerstag forderte er eine Einstellung der Angriffe der syrischen Armee auf alle Städte des Landes, nicht nur auf Aleppo. Damit reagierte er auf die Ankündigung des Syrien-Sondergesandten der Vereinten Nationen, Staffan de Mistura, dass ein vorübergehendes Ende des Bombardements der Stadt bevorstünde. Demnach habe die syrische Regierung „ihre Bereitschaft signalisiert“, Luft- und Artillerieangriffe auf Aleppo für sechs Wochen einzustellen. Der Beginn dafür solle demnächst in Damaskus verkündet werden.
Khoja äußerte erhebliche Zweifel an der vagen Zusage der Führung in Damaskus. „Die lange Geschichte gebrochener Waffenstillstände und Vereinbarungen“ zeige, worum es dem Regime des Machthabers Baschar al Assad wirklich gehe: „Zeit zu gewinnen, um die Angriffe auf von den Aufständischen gehaltene Gebiete auszuweiten“. Sowohl für Aleppo als auch für die am Rande der Hauptstadt gelegenen Orte stimmt diese Analyse: Mehr als hundert Tote zählten Menschenrechtsorganisationen, seit Regierungseinheiten gemeinsam mit Kämpfern der libanesischen Schiitenmiliz Hizbullah am Wochenende damit begonnen haben, Nachschubwege der Opposition in Aleppo anzugreifen. Hunderte Menschen wurden seit Anfang Februar bei Luftangriffen auf Duma und andere Ortschaften nordöstlich von Damaskus getötet.
Assad setzt vorerst weiter auf militärische Lösung
Aber auch aus anderen Gründen sind die Chancen gering für eine Waffenruhe im von fast vier Kriegsjahren gezeichneten Aleppo. Das Eingreifen der Hizbullah und iranischer Revolutionsgarden hat die Auseinandersetzung um die einst blühende Handelsmetropole zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Assads ausländischen Unterstützern und seinen Gegnern gemacht. In anderen Gegenden des Landes gilt das schon seit langem: Allen voran Saudi-Arabien, Qatar und die Türkei wenden sich gegen eine Einstellung der Kämpfe.
Die vor wenigen Wochen begonnene Offensive von Assad-Truppen in Südsyrien zeigt, dass auch Assad vorerst weiter auf eine militärische, nicht auf eine politische Lösung setzt. De Mistura selbst sagte am Dienstag in New York, dass er „keinerlei Illusionen“ für seinen Plan hege, den Konflikt „einzufrieren“, sondern lediglich einen „Funken an Hoffnung“ habe.
Wie 2012, als die Entsendung einer Beobachtermission von Vereinten Nationen und Arabischer Liga zu einer weiteren Eskalation des Konflikts führte, hat auch de Misturas Auftritt vor dem UN-Sicherheitsrat die Lage zunächst weiter verschärft. Bereits die Ankündigung der amerikanischen Regierung, ab März 1200 ausgewählte oppositionelle Kämpfer in Saudi-Arabien, Qatar, Jordanien und der Türkei auszubilden und mit Waffen auszustatten, hatte zu vermehrten Angriffen des Assad-Regimes geführt. Dabei dürfte die eingeschränkte Hilfe kaum geeignet sein, das Blatt zugunsten der schwachen „moderaten“ Milizen zu wenden. Zudem sieht Washington diese Kämpfer nicht als Anti-Assad-Einheiten, sondern als Bodentruppen gegen den IS.
Assad bezeichnet Verhandlungen als „illusorisch“
In einem Interview mit der amerikanischen Zeitschrift „Foreign Affairs“ hatte Assad die Aufständischen, die in mehrere Wochen währenden Lehrgängen geschult werden sollen, als „Marionetten“ bezeichnet, die früher oder später „desertieren und sich dem ,Islamischen Staat‘ oder anderen Gruppen“ anschließen würden.
Zu ihnen zählen die Mitglieder der etwa 6000 Mann großen, vor allem in Nordsyrien starken Mudschahedin-Armee. Assad bezeichnete es als „illusorisch“, Verhandlungen mit diesen Kräften zu führen, zumal diese nicht einmal die inzwischen stärksten Milizen in Syrien sind. „Worin soll der Zweck bestehen, Vertrauen zu Leuten aufzubauen, die keinen Einfluss haben?“, sagte Assad.
Zwei mächtige Oppositionsmilizen in Aleppo – die Shamia-Front und der Revolutionäre Kommandorat – hatten de Misturas Plan schon in der vergangenen Woche abgelehnt, nachdem er in Wien mit den Worten zitiert worden war, eine Lösung des Konflikts könne es nur mit Assad geben. In New York stellte der UN-Sondergesandte nun klar, dass ein Ende der Gewalt nur erreichbar sei, wenn „die syrische Regierung sich beteiligt“, da nur sie über Luft- und Artilleriekapazitäten verfüge. Oppositionellen in Duma, Daraa und Aleppo dürfte diese Unterscheidung kaum noch vermittelbar sein. De Mistura sei „ein Partner Assads“, sagte am Donnerstag ein Kämpfer der Shamia-Front.