Konflikt in Sudan : „Die Nachbarstaaten werden hineingezogen wie in ein schwarzes Loch“
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Kämpfer der sudanesischen paramilitärischen „Schnellen Unterstützungskräfte“ (RSF) in einem Video vom 23. April Bild: AFP
Der Konflikt in Sudan könnte die gesamte Region destabilisieren. Einige Nachbarstaaten scheinen sich schon eingemischt zu haben – auch die russische Wagner-Miliz liefert wohl Waffen.
Je länger die Kämpfe in Sudan andauern, desto größer wird die Sorge davor, dass der Konflikt in dem nordostafrikanischen Land sich zu einem anhaltenden Krieg entwickeln könnte. Hunderte Menschen sind seit der Eskalation zwischen der sudanesischen Armee und den „Schnellen Unterstützungskräften“ (RSF) vor elf Tagen getötet worden, Tausende wurden verletzt.
Während Deutschland seine Evakuierungsmission in der Nacht zum Dienstag abgeschlossen hat, sitzen in der Hauptstadt Khartum und anderen umkämpften Gebieten weiter Millionen Sudanesen in ihren Häusern fest. Die Versorgungslage wird immer schlechter. Weder Armeechef Abdel Fattah al-Burhan, noch RSF-Anführer Mohammad Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, machen Anstalten, den Konflikt in absehbarer Zeit beizulegen. „Nur im Sarg“ will Dagalo seinen Rivalen davonkommen lassen. Andersherum dürfte es ähnlich aussehen.
„Sudan befindet sich am Abgrund“, befand UN-Generalsekretär Antonio Guterres am Dienstag – und warnte gleichzeitig davor, dass jede weitere Eskalation verheerende Folgen für die gesamte Region haben könnte. Auch der amerikanische Außenminister Antony Blinken warnte davor, dass die Unruhen auf Nachbarländer übergreifen könnten. Die Sorge wird von vielen internationalen Fachleuten geteilt.
Flucht in Richtung Tschad und Südsudan
Zum einen geht es dabei um Zehntausende Flüchtlinge, die sich schon jetzt auf den Weg gemacht haben, um den Kämpfen zu entkommen. Die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR bereitet sich eigenen Angaben zufolge auf 270.000 Menschen vor, die in den kommenden Tagen und Wochen aus Sudan in die Nachbarländer Tschad und Südsudan fliehen könnten – die Zahlen für die fünf weiteren Nachbarländer Sudans sind dabei noch nicht miteingerechnet.
Dabei geht es einerseits um Sudanesen selbst, zum anderen um die eine Million Flüchtlinge in Sudan, von denen viele nun versuchen, in ihre Heimatländer zurückzukehren oder in andere Staaten weiterzufliehen. Im Nachbarland Tschad suchten seit Beginn der Kämpfe bereits mehr als 20.000 Menschen Schutz; schon davor hielten sich dort mehr als 400.000 Sudanesen in Flüchtlingscamps auf. An der Grenze zu Südsudan verzeichnete das UNHCR in den vergangenen Tagen fast 4.000 südsudanesische Flüchtlinge, die zuvor in Sudan Schutz gesucht hatten – nun aber in das südliche Nachbarland zurückkehren wollten. Viele seien zu Fuß unterwegs.
Insgesamt leben laut UN mehr als 800.000 Südsudanesen als Flüchtlinge in Sudan, ein Viertel von ihnen im umkämpften Khartum. Fachleute warnen davor, dass Tschad und Südsudan durch die großen Flüchtlingsströme massiv destabilisiert werden könnten. Die Staaten gehören zu den ärmsten der Welt – und sind selbst Schauplätze anhaltender bewaffneter Konflikte. Ähnlich sieht es mit den Nachbarstaaten Libyen, der Zentralafrikanischen Republik und Äthiopien aus.
„Im Grunde befindet sich jedes Land um Sudan herum schon jetzt in einem Zustand politischer Instabilität“, sagt Theodore Murphy, Direktor des Afrika-Programms des European Council on Foreign Relations (ECFR). „Wenn es dann so explodiert wie derzeit in Sudan, dann wirkt sich das zwangsläufig auch auf andere Teile der Region aus.“ So könnten bewaffnete Gruppen aus anderen Staaten Sudan als Rückzugsort nutzen, RSF-Kämpfer wiederum könnten sich in Nachbarländern niederlassen und sich mit dortigen Rebellengruppen und Widerstandsbewegungen verbünden. Hinzu kommen lange bestehende Konflikte um umstrittenes Territorium, die durch den Konflikt neu ausbrechen könnten.