Entlassene Luisa Ortega Díaz : Die Frau, der Maduro nicht traute
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Luisa Ortega Díaz vor ihrem Amtssitz Bild: Reuters
Mit Hugo Chávez glaubte die entlassene Staatsanwältin an ein besseres Venezuela. Jetzt ist Luisa Ortega Díaz zum Opfer ihres eigenen Systems geworden. Was machte sie für das Regime so gefährlich?
Hinter ihrem Schreibtisch hängt im Goldrahmen der Befreier Simón Bolívar, „el Libertador“, der gleich mehrere südamerikanische Länder vom Joch der spanischen Konquistadoren gelöst hatte. Er ist der große Held, dem Hugo Chávez nacheiferte, auf den er Zeit seines Lebens rekurrierte, wenn er von den „neuen Imperialisten aus Washington“ sprach.
Vor Bolívar sitzt die Staatsanwältin Luisa Ortega Díaz an einem großen Schreibtisch, links die Flagge von Venezuela, rechts die Fahne der Staatsanwaltschaft. Die Frau mit schulterlangen blonden Haaren und einer rahmenlosen Brille spricht energisch wie eine Politikerin, hebt ein kleines blaues Buch hoch und sagt sinngemäß: Das ist die Verfassung der Bolivarischen Republik Venezuela von 1999, die verteidigt werden muss. In dem Video, das auf ihrer Homepage zu sehen ist, ist sie noch Oberstaatsanwältin und Leiterin der Anklagebank (Ministerio Público). Nun ist Ortega Díaz abgesägt – von der verfassungsgebenden Versammlung, die Präsident Maduro initiiert hatte, um dem weitestgehend entmachteten Parlament noch die letzten Flügel zu stutzen. Auf diese Weise hat sich Maduro seiner wichtigsten Gegenspielerin entledigt.
Loyalität zu Chávez, Kritik an Maduro
Dabei war die Entlassung Ortegas lange Zeit gar kein Thema: 2007 wurde die Volljuristin zur Staatsanwältin gewählt, 2013 stand sie bei der Beerdigung Chávez' in erster Reihe. Sie hörte nicht auf, an das Venezuela zu glauben, das Hugo Chávez so erbittert und gegen viel Kritik aus dem Aus- und Inland in eine sozialistische Republik umformte. Dem Oppositionsführer Leopoldo López wurde mit ihrer Hilfe der Prozess gemacht. Er wurde zu knapp 14 Jahren Haft verurteilt, weil er angeblich zu Gewalt bei Protesten gegen Maduro aufgerufen hatte. Die bekennende Chavista gehörte bis zuletzt zum System, das ihr nun endgültig den Rücken kehrte. Ursprünglich sollte die 59-Jährige bis 2021 im Amt bleiben.
Am 24. Juli dieses Jahres, dem Geburtstag von Simón Bolívar, schrieb sie auf Twitter: „Heute mehr denn je haben wir den Traum von unserem Befreier Simón Bolívar. Ein großes, vereintes und solidarisches Venezuela!“ Da war ihre Gunst bei den anderen Maduro-Getreuen längst verflogen. Im April sprach sie vom Verfassungsbruch, als die Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs dem Parlament vorübergehend die Kompetenzen entzog und die Immunität der Abgeordneten aufhob. Sie verurteilte die Gewalt der venezolanischen Sicherheitskräfte, die immer wieder brutal gegen Demonstranten auf der Straße vorgehen.

All das brachte ihr keine Sympathien bei der sozialistischen Führung des Landes ein. Die regierungsnahen Medien starteten eine Hetzjagd auf die Anwältin, warfen ihr Geisteskrankheit vor. Parlamentspräsident Diosdado Cabello bezeichnete sie gar als Faschistin – dies ist in Venezuela eigentlich nur amerikanischen Präsidenten oder Putschisten vorbehalten. Am 29. Juni fror das höchste Gericht dann ihre Konten ein und verbat ihr, das Land zu verlassen. Der Vorwurf: Fehlverhalten im Amt.
Dabei enttarnte sie die Unmenschlichkeit des Regimes unter Maduro, das trotz riesiger Ölvorkommen es nicht schafft, ihr Versagen einzugestehen, die marode Wirtschaft zu reformieren und für ausreichend Lebensmittel in den Supermärkten zu sorgen. Die unbequeme Kritikerin Ortega Díaz ist eine Anhängerin des Sozialismus' des 21. Jahrhunderts, wie ihn Hugo Chávez für den ganzen Subkontinent einmal vorsah. Jetzt muss sie sich vor dem Regime fürchten: In einem Interview berichtete sie zuletzt, dass vor einigen Wochen ihre Tochter und ihr Enkel mehrere Tage entführt worden seien.
Simón Bolívar im Goldrahmen blickt in Zukunft nicht mehr auf das Haupt von Luisa Ortega Diáz. An ihren Platz ist nun ein regierungstreuer Chavista gerückt: Tarek William Saab.