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Spannungen in Sudan : Demonstranten fordern Militärputsch

Demonstranten am Samstag in Khartum Bild: AFP

Tausende Menschen fordern in Sudans Hauptstadt einen Putsch der Armee gegen die Regierung. Die Demonstration wurde offenbar von Gruppen organisiert, die dem Militär nahe stehen.

          2 Min.

          Ungewöhnliche Szenen spielten sich am Wochenende in Khartum ab. Tausende Menschen gingen in Sudans Hauptstadt auf die Straße und forderten einen Putsch der Armee gegen die Regierung. Vor dem Präsidentenpalast bauten Demonstranten am Samstagabend Zelte auf und skandierten Parolen wie „Nieder mit der Regierung des Hungers“, „Eine Armee, ein Volk“ oder „Die Armee wird uns Brot geben“.

          Christian Meier
          Politischer Korrespondent für den Nahen Osten und Nordostafrika.

          Die Proteste werfen ein Schlaglicht auf die schweren Spannungen, die es seit einigen Wochen in der gemeinsamen zivil-militärischen Übergangsregierung gibt, die das ostafrikanische Land seit dem Sturz des Langzeitdiktators Omar al-Baschir im April 2019 führt. Die Aufforderung zum Umsturz richtete sich insbesondere an Abd al-Fattah al-Burhan. Der frühere Armeechef steht an der Spitze des „Souveränitätsrats“ und ist damit de facto Staatschef Sudans. Als Regierungschef fungiert ein Zivilist, der Ökonom Abdalla Hamdok. Erst am Freitag hatte Hamdok eine Roadmap vorgelegt, die einen Weg aus der laut seinen Worten „schwersten und gefährlichsten Krise“ des Landes seit al-Baschirs Sturz weisen soll.

          Vertreter der Armee verlangen die Auflösung der Übergangsregierung

          Die Lage hat sich insbesondere seit Ende September verschärft. Am 21. September war es zu einem Putschversuch von Teilen der Armee in Khartum gekommen. Er wurde zwar niedergeschlagen, seither wurde der Tonfall zwischen den zivilen und den militärischen Mitgliedern der Übergangsinstitutionen jedoch schärfer. Beide Seiten beschuldigen einander, für die Krise verantwortlich zu sein.

          Ministerpräsident Hamdok sprach in einer Rede am Freitag davon, der Putschversuch habe „die Tür geöffnet für all die versteckten Konflikte und Anschuldigungen aller Seiten, und auf diese Weise schlagen wir die Zukunft unseres Landes, unseres Volkes und unserer Revolution in den Wind“.

          Konkret verlangten Vertreter der Armee eine Auflösung der Übergangsregierung. General al-Burhan sagte zu Beginn der vergangenen Woche, dies sei der einzige Weg, die Krise zu beenden. Im Militär herrscht Misstrauen gegenüber den „Kräften der Freiheit und des Wandels“, einer Allianz zahlreicher Gruppen, welche die Massenproteste gegen al-Baschir getragen hatten. Umgekehrt gibt es unter den Zivilisten die Befürchtung, die Armee wolle die Macht ergreifen. Der Putschversuch dürfte solche Szenarien befeuert haben.

          Auch dass al-Burhans Amtszeit als Vorsitzender des Souveränitätsrats, die im Frühjahr 2021 enden sollte, im Rahmen eines Friedensabkommens mit Rebellengruppen verlängert wurde, trug nicht dazu bei, diese Ängste zu zerstreuen. Immer wieder fordern Demonstranten, die Macht des Militärs zu beschneiden. Zudem gibt es Bestrebungen, Militärs für vergangene Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen.

          Hohe Inflation verschärft die Lage

          Aber auch innerhalb des zivilen Lagers gibt es Unstimmigkeiten. Mehrere Rebellengruppen brachen in der vergangenen Woche mit den „Kräften der Freiheit und des Wandels“ – an dem Tag, an dem auch al-Burhan die Auflösung der Regierung verlangte. Die Demonstration vom Samstag wurde Medienberichten zufolge von Gruppen organisiert, die dem Militär nahestehen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, es seien wenig Sicherheitskräfte auf der Straße gewesen. Laut einer Mitteilung des Gouverneurs des Bundesstaates Khartum hätten Mitglieder einer bewaffneten Gruppe die Barrieren vor Regierungsgebäuden entfernt.

          Die Demonstranten, die in Bussen nach Khartum gebracht worden seien, hätten bis zum üblicherweise abgeriegelten Präsidentenpalast vordringen können. Es sei zu Zusammenstößen mit Demonstranten gekommen, die eine rein zivile Regierung forderten. In einer Mitteilung der „Kräfte der Freiheit und des Wandels“ hieß es, die derzeitige Krise sei von Gruppen verursacht worden, die damit den Weg bereiten wollten für eine Rückkehr von „Überresten des vorherigen Regimes“.

          Verschärft wird die Lage durch eine hohe Inflation, wirtschaftliche Probleme und eine bedrohliche Versorgungslage. Im Osten des Landes blockieren Mitglieder der Volksgruppe der Bedscha seit zwei Wochen den Zugang zum Hafen von Port Sudan; sie fordern mehr politische Mitsprache. Dies hat zu langen Schlangen vor Bäckereien geführt. Die Regierung warnte, Benzin und Medikamente könnten knapp werden. Unter den Zivilisten in der Regierung wird die Auffassung vertreten, auch die Blockade gehe auf das Militär zurück.

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