Befristung wird zur Ausnahme : Wie Spanien die Rechte von Arbeitnehmern stärken will
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Yolanda Díaz und Jose Luis Escriva am 28. Dezember während einer Pressekonferenz in Madrid Bild: EPA
Kurz vor dem Jahresende hat die Minderheitsregierung in Spanien nicht nur den Haushalt durchs Parlament gebracht. Die Linkskoalition hat sich auch auf eine Arbeitsmarktreform geeinigt.
In letzter Minute macht die spanische Linkskoalition ihr wichtigstes Wahlversprechen wahr. Kurz vor Jahresende verabschiedete das Parlament am Dienstag nicht nur endgültig den Staatshaushalt mit den höchsten Sozialausgaben in der Geschichte der spanischen Demokratie. Die Minderheitsregierung aus Sozialisten (PSOE) und Unidas Podemos (UP) brachte auch die Arbeitsmarktreform auf den Weg: Mehr als ein Viertel aller Arbeitsverträge sind in Spanien befristet. Vor allem die jungen Spanier leiden an prekären, oft miserabel bezahlten Kettenverträgen. Viele hangeln sich von einem „Müllvertrag“ zum nächsten.
Mit einer Flexibilisierung des Arbeits- und Tarifrechts hatte die konservative Vorgängerregierung unter Mariano Rajoy im Jahr 2012 nach der großen Finanzkrise Hunderttausende Arbeitsplätze geschaffen und die Wirtschaft wieder in Gang gebracht. Doch der Preis, den viele Spanier dafür zahlten, waren niedrige Gehälter, zeitweise waren mehr als 60 Prozent der Verträge befristet.
„Die Arbeitnehmer erhalten ihre Rechte zurück“, verkündete Arbeitsministerin Yolanda Díaz, nachdem sie sich nach monatelangen Verhandlungen mit Unternehmern und Gewerkschaften auf die weitgehende Rücknahme der konservativen Reform geeinigt hat. Künftig sollen die Befristungen nur noch in Ausnahmefällen gelten.
So gibt es künftig nur zwei Arten von Zeitverträgen: „strukturelle“ und Ausbildungsverträge. Zum Beispiel, wenn vor Weihnachten oder in der Landwirtschaft kurzfristig mehr Personal nötig ist. Der Einsatz von Leiharbeitern wird stärker reglementiert, befristete Verträge werden stärker kontrolliert und ihr Missbrauch bestraft. Zugleich erhalten die Gewerkschaften wieder mehr Rechte bei den Verhandlungen.
Heftiger Streit innerhalb der Koalition
Über die Reform war es zu einem heftigen Streit innerhalb der Koalition gekommen. Wirtschaftsministerin Nadia Calviño, die bei der EU in Brüssel großes Ansehen genießt, wollte nicht so weit gehen wie die kommunistische Arbeitsministerin Yolanda Díaz; Calviño wollte die Erholung der Wirtschaft nicht gefährden, die Corona in die schwerste Krise seit dem Bürgerkrieg gestürzt hat.
Auch die von der Sozialministerin geführten Verhandlungen waren nicht einfach. Zeitweise verließen die Arbeitgeber unter der Führung des Chefs des Unternehmerverbandes CEOE, Antonio Garamendi, den Dialogtisch. Aber letztlich einigten sich die Sozialpartner seit Ausbruch der Pandemie mit der Regierung über fast alle wichtigen Fragen. Das war wichtig, um die Reformvorgaben der EU zu erfüllen, damit Spanien mehr als 70 Milliarden Euro an nicht zurückzuzahlenden Zuschüssen aus dem Covid-Wiederaufbaufonds erhalten kann.
Yolanda Díaz konnte sich als Unterhändlerin profilieren. Laut Umfragen stieg sie in den vergangenen Monaten zu einer der beliebtesten Politikerinnen auf. Manche sehen in ihr schon die erste Regierungschefin des Landes. Aber die nächsten regulären Wahlen stehen erst 2023 an – und die erste Koalitionsregierung in der Geschichte der spanischen Demokratie erweist sich als robuster, als viele vorhergesagt hatten.
Der Haushalt für 2022 lässt sich notfalls ein weiteres Jahr fortschreiben. Ministerpräsident Pedro Sánchez hofft jedoch, dass schon bald die Milliarden von der EU Wirkung zeigen und die spanische Wirtschaft spätestens nach dem Abklingen der Omikron-Welle endlich Fahrt aufnimmt. Zuletzt hatten OECD und spanische Zentralbank ihre Wachstumsprognosen für das Jahr 2022 auf 4,5 Prozent gesenkt.