
Mit den Waffen einer Frau
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Ursula von der Leyen Bild: dpa
Verletzt und allein gelassen fühlte von der Leyen sich in Ankara, sagte sie im Europaparlament. Und wurde dafür mit Solidarität überschüttet. Doch der Europäischen Union nützt das nichts.
Monatelang ist Ursula von der Leyen gescholten worden für die schleppende Impfstoffbeschaffung. Diese Woche aber lag ihr nicht nur das Europäische Parlament zu Füßen, sondern auch ein beträchtlicher Teil der Zwitscher-Welt. „Ich fühlte mich verletzt und alleingelassen“, sagte die Kommissionspräsidentin über jenen Tag nach Ostern, als sie im Präsidentenpalast zu Ankara auf einem Sofa Platz nehmen musste, während sich der Hausherr und Ratspräsident Charles Michel in zwei Sessel plumpsen ließen. Es habe keinen anderen Grund für die Zurücksetzung gegeben als diesen, stellte von der Leyen fest: „Es geschah, weil ich eine Frau bin.“ Und jede Frau wisse, wie sich das anfühle. Die Huldigungen und Solidaritätsadressen, die sie dafür erntete, klangen schon wie der Beginn einer neuen MeToo-Bewegung.
Doch, gemach: Musste von der Leyen wirklich aufs Sofa, nur weil sie eine Frau ist? Dann hätte Angela Merkel, die schon oft bei Erdogan war, immer Glück gehabt, dass gerade noch ein Sessel frei war. Tatsächlich dürfte es eine Kombination von drei Faktoren gewesen sein, die sie auf dem Sofa enden ließen. Erstens: Sie ist „nur“ die Kommissionspräsidentin und steht damit protokollarisch hinter dem Ratspräsidenten, der wie ein Staatschef behandelt wird. Natürlich hat sie mehr Macht als dieser, doch muss in Deutschland auch die Kanzlerin hinter dem Bundespräsidenten zurücktreten. Zweitens: Von der Leyen fehlt die Amtsautorität, das „Standing“ eines einstigen Regierungschefs. Das unterscheidet sie von Jean-Claude Juncker. Drittens: Sie hatte es mit zwei Herren zu tun, die schneller auf ihren Sesseln saßen, als sie auch nur „Ähm“ sagen konnte. Und dann wie selbstverständlich sitzen blieben. Erst da kamen schlechte Gewohnheiten ins Spiel, die mit dem Geschlecht zusammenhängen.
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