Eine Frau rüttelt Frankreich auf
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Im Pariser Nobelviertel Saint-Germain-des-Prés lebt die „Familia grande“, jene Freunde und Verwandte der Familie Kouchner, die die Taten Duhamels jahrelang deckten. Bild: Getty
In Frankreich legt Camille Kouchner in einem Buch offen, wie der hochdekorierte Jurist Olivier Duhamel ihren Bruder jahrelang sexuell missbrauchte – und die gesamte altlinke Pariser Führungselite bereitwillig wegsah.
Fast drei Jahrzehnte hat Camille Kouchner geschwiegen, doch jetzt hat sie mit ihrer Familiengeschichte Frankreich aufgewühlt. In ihrem Buch „La familia grande“ geht es um den sexuellen Missbrauch an ihrem Zwillingsbruder, aber eigentlich geht es um viel mehr: um das moralische Versagen einer linken Pariser Führungselite, die jahrelang weggesehen hat. Das Wegsehen der anderen sei das Schlimmste gewesen, schreibt die 45 Jahre alte Französin. „Diese Stille ist nicht nur Feigheit gewesen. Einige waren entzückt darüber, schweigen zu dürfen. Man muss das Geheimnis teilen, um zum inneren Zirkel der großen Familie zu zählen.“

Politische Korrespondentin mit Sitz in Paris.
Mit ihrem Buch hat sie den Schweigepakt gebrochen und die Taten ihres Stiefvaters öffentlich gemacht. Es ist der 70 Jahre alte Staatsrechtsprofessor und ehemalige EU-Abgeordnete Olivier Duhamel, den sie anklagt. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet, auch wenn die Straftaten vermutlich verjährt sind. Doch Konsequenzen gibt es schon. Duhamel verzichtet künftig auf die wöchentlichen Auftritte in mehreren Fernseh- und Radiosendungen und wird den elitären Club „Le Siècle“ nicht länger leiten. Seine Tätigkeit als Berater des Verfassungsrates sowie als Herausgeber der Fachzeitschrift „Pouvoirs“ hat er eingestellt und trat auch vom Vorsitz der Stiftung zurück, die über die Finanzen der renommierten Hochschule Sciences Po entscheidet.
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