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Putschversuch in Montenegro : Ein mutmaßlicher Putsch und eine russische Spur

Milo Djukanović, der mächtigste Mann Montenegros: Der Putsch im Oktober vergangenen Jahres sollte sich gegen den Vorsitzenden der Regierung richten. (Archivbild aus dem Oktober 2016) Bild: AP

Russland ist kategorisch gegen den Nato-Beitritt Montenegros. Nun beschuldigt das Land Moskau eines Putschversuches. Doch was steckt hinter den Vorwürfen?

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          Montenegro steht an der Schwelle zur Mitgliedschaft in der Nato. Nur aus vier Mitgliedstaaten des Bündnisses fehlt die Zustimmung noch, dann kann das kleine Land beitreten. Russland ist kategorisch dagegen. Schon zu Beginn der Beitrittsgespräche Ende 2015 warnte das russische Außenministerium, die Aufnahme des Landes in die Nato „verletzt direkt die Interessen Russlands und zwingt uns zu entsprechenden Reaktionen“.

          Reinhard Veser
          Redakteur in der Politik.

          Gehört zu diesen Reaktionen auch ein Putschversuch in Montenegro während der Parlamentswahl im Oktober 2016? Das behaupten Regierung und Staatsanwaltschaft in Montenegro: Man habe nun Beweise dafür, dass russische Geheimdienstler hinter dem angeblichen Umsturzversuch stünden, sagte der montenegrinische Sonderstaatsanwalt Milivoje Katnić am Sonntag. Russlands Außenminister Sergej Lawrow und der Sprecher Präsident Putins wiesen das umgehend zurück.

          Nicht nur an der russischen Beteiligung, sondern auch an der Frage, ob es überhaupt einen Putschversuch gegeben hat, scheiden sich die Geister. Die prorussische Opposition in Montenegro sieht darin eine Erfindung des Machthabers Milo Djukanović, mit der dieser einen Vorwand zur Verfolgung seiner Gegner schaffen wolle. Tatsächlich wirft die Staatsanwaltschaft zwei Führern der oppositionellen Demokratischen Front vor, an der Verschwörung mitgewirkt zu haben – vorige Woche wurde deshalb vom Parlament in Podgorica ihre Immunität aufgehoben. Dass die Partei enge Beziehungen nach Russland unterhält, ist unbestritten. Erst Anfang Februar waren ihre beiden Führer wieder zu politischen Gesprächen in Moskau.

          Bevölkerung ist in der Nato-Beitrittsfrage in zwei Lager gespalten

          Die Affäre begann am 15. Oktober vorigen Jahres, dem Tag vor der Parlamentswahl, mit der Festnahme von zwanzig Serben, die – so der Vorwurf – am Wahlabend öffentliche Gebäude besetzen und Ministerpräsident Milo Djukanović entführen und ermorden und dann die prorussische Demokratische Front zum Wahlsieger erklären sollten. Schon da war davon die Rede, dass unter den Hintermännern auch zwei russische Nationalisten seien – jene beiden, von denen die Staatsanwaltschaft nun behauptet, sie seien Geheimdienstler.

          Die Mutmaßungen über eine russische Spur bekamen richtig Nahrung, als der serbische Ministerpräsident Aleksandr Vučić kurz darauf sagte, die serbischen Sicherheitskräfte hätten eine zweite Gruppe von Männern mit der gleichen Aufgabe festgenommen, hinter denen ein „dritter Staat“ stehe. Unmittelbar darauf reiste Nikolaj Patruschew, der Sekretär des russischen Nationalen Sicherheitsrates und ein enger Weggefährte von Präsident Wladimir Putin, unangekündigt nach Serbien.

          Milo Djukanović, der Mann, gegen den sich der Umsturz richten sollte, bestimmt den Kurs Montenegros seit 26 Jahren. Auch wenn er derzeit außer dem Vorsitz der Regierungspartei kein Amt innehat, zweifelt niemand daran, dass er weiter der starke Mann des Landes ist. Er hat Montenegro auf einen außenpolitischen Westkurs geführt, im Inneren hat seine Macht jedoch autoritäre Züge. Die Bevölkerung in Montenegro ist in der Frage des Nato-Beitritts tief in zwei etwa gleich große Lager gespalten.

          Das spiegelt sich auch im Ergebnis der Parlamentswahl vom Oktober wieder, aus der Djukanovićs Partei als stärkste Kraft, aber ohne eigene Mehrheit hervorgegangen ist. Die Opposition boykottiert das Parlament und will wegen der Verfolgung ihrer Führer auch an der im März bevorstehenden Kommunalwahl nicht teilnehmen. Vorige Woche warf die Demokratische Front Djukanović vor, er ziehe Montenegro „in einen Bürgerkrieg“.

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