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Russland : Duma verabschiedet Gesetz über Hochverrat

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Die Abgeordneten von Putins Partei Einiges Russland stimmten für das Gesetz.

Die Abgeordneten von Putins Partei Einiges Russland stimmten für das Gesetz. Bild: dapd

Das russische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, wonach Kontakte zu ausländischen Organisationen als Spionage und Landesverrat strafbar sein können. Die Opposition und internationale Organisationen kritisierten den Vorstoß.

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          Das russische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das den Begriff „Hochverrat“ weiter fasst als bisher und nach dem auch Beratung oder Finanzhilfe für ausländischen Organisationen als Verrat bestraft werden können, wenn sich diese „gegen die Sicherheit Russlands“ richten.

          Oppositionelle und internationale Organisationen haben das Gesetz, über das die Duma in Moskau am Dienstagabend abgestimmt hat, heftig kritisiert und als Angriff auf Nichtregierungsorganisationen gewertet. Das Gesetz war vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB vorgeschlagen und von den Duma-Abgeordneten der Kremlpartei Einiges Russland sowie von den Fraktionen der Kommunisten und der kremltreuen nationalistischen Liberaldemokraten ohne Aussprache in zweiter Lesung verabschiedet worden. Die Fraktion der gemäßigt linken Partei Gerechtes Russland enthielt sich der Stimme.

          Fortführung des harten Kurses von Präsident Wladimir Putin

          Über das Gesetz soll demnächst auch im russischen Oberhaus abgestimmt werden, wo Einiges Russland die Mehrheit hat. Im November könnte es dann bereits angewendet werden. Wenn es dazu kommt, könnten russische Bürger nach Auffassung von Fachleuten auch dann als Spione und Hochverräter belangt werden, wenn sie im Kontakt mit Nichtregierungsorganisationen, die ausländische Finanzhilfe erhalten, unwissentlich Informationen preisgeben, die später als Staatsgeheimnisse eingestuft werden. Es geht dabei nicht wie in der bislang geltenden Gesetzgebung allein um die Gefährdung der „äußeren Sicherheit Russlands“, sondern ganz allgemein um eine „Gefahr für die Sicherheit Russlands“, wodurch auch „innenpolitische Tatbestände“ als Landesverrat und Spionage ausgelegt werden können.

          Der FSB hatte das Gesetzesvorhaben damit begründet, dass ausländische Geheimdienste daran gehindert werden müssten, staatliche und nichtstaatliche Organisationen zum Schaden für Russlands Sicherheit zu benutzen. Der russische Ombudsmann Wladimir Lukin sagte, das Gesetz laufe internationalen Rechtsnormen zuwider und verstoße gegen die russische Verfassung. Amnesty International forderte den Europarat auf, das Gesetz auf Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention zu durchleuchten.

          Vertreter der russischen Zivilgesellschaft und Protestbewegung betrachteten das neue Gesetz als Fortführung des harten innenpolitischen Kurses von Präsident Wladimir Putin. Sie wiesen auf die Verschärfung des Demonstrationsrechts oder des NGO-Gesetzes vor einigen Monaten hin, das russische Nichtregierungsorganisationen, die Finanzhilfe aus dem Ausland erhalten, dazu zwingt, sich als „ausländische Agenten“ eintragen zu lassen. Überdies sehen sie in dem aggressiven Vorgehen des Ermittlungskomitees (SK) gegen Aktivisten gezielte Repressionen zur Ausschaltung der aktiven Kritiker des Systems.

          Opposition ruft zu  neuen Demonstrationen auf

          Der neugebildete Koordinationsrat der Protestbewegung verlangte am Mittwoch von der politischen Führung den Verzicht auf physischen Druck gegen die Anhänger der friedlichen Protestbewegung und der Opposition. Der Rat will sich dafür einsetzen, dass der Westen die Konten der für Repressionen Verantwortlichen sperrt und diesen die Einreise in die EU oder die Vereinigten Staaten verbietet. Am Samstag will die Opposition in Moskau mit einer Protestkundgebung für die Freilassung inhaftierter Putin-Gegner demonstrieren.

          Wegen des Verdachts auf Beteiligung an angeblichen Massenunruhen während einer Demonstration gegen Putin am 6. Mai in Moskau befinden sich 18 Demonstranten in Untersuchungshaft. Es gibt Hinweise, dass sie zu Aussagen gegen einige Anführer der Protestbewegung wie Sergej Udalzow und Aleksej Nawalnyj – beide wurden gerade in den Koordinierungsrat der Opposition gewählt – gebracht werden sollen. Udalzow wurde in einem offenbar vom Geheimdienst aufgenommenen Video, das der staatliche Fernsehsender NTW gesendet hatte, beschuldigt, gemeinsam mit einem georgischen Politiker Massenunruhen und den Umsturz in Russland geplant zu haben.

          Als Beweis für diese Beschuldigung präsentierten Ermittler dieser Tage das Geständnis des Oppositionellen Leonid Raswosschajew, eines Mitarbeiters des in der Protestbewegung aktiven Duma-Abgeordneten Ilja Ponomarjew. Er hatte den geplanten Umsturzversuch bestätigt, ebenso seine eigene Beteiligung an den „Massenunruhen“ vom 6. Mai sowie die Rädelsführerschaft von Udalzow und Nawalnyj in dieser Angelegenheit. Bürgerrechtler, die Raswosschajew im Moskauer Untersuchungsgefängnis Lefortowo besuchen konnten, berichteten allerdings, dieser habe ihnen gesagt, dass er in der Ukraine, wo er um politisches Asyl habe bitten wollen, entführt und mit psychischer Folter wie Todesdrohungen für seine Familie in einem Kellerverließ zum Geständnis gezwungen worden sei. Nun wolle er seine erzwungene Aussage zurückziehen und fordere einen Anwalt.

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