Antikriegsproteste in Russland : 1700 Festnahmen 44 Städten
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Ein Demonstrant wird bei einer Antikriegsdemonstration auf dem Puschkin-Platz in Moskau von Polizisten abgeführt Bild: Imago
Trotz der Warnung von russischen Behörden, an Protestaktionen gegen den Einmarsch in die Ukraine teilzunehmen, regt sich ziviler Widerstand im Land. Die Polizei reagiert indes mit Hunderten Festnahmen.
In Russland regt sich nach dem Angriff auf die Ukraine erster Widerstand. Bei Antikriegsprotesten im Zentrum von Moskau nahm die Polizei mehrere Menschen fest, wie die Nachrichtenagentur RIA am Donnerstag berichtete. Die Polizei sperrte den Puschkin-Platz ab, berichtete ein Reuters-Reporter. Zuvor war die Oppositionelle Marina Litwinowitsch festgenommen worden, wie sie der Nachrichtenagentur Reuters bestätigte. „Ich bin auf dem Weg nach Hause festgenommen worden“, schrieb wie auf dem Messengerdienst Telegram.
Die in Moskau lebende Litwinowitsch hatte ihre Landsleute zuvor zu Protesten gegen den Angriff aufgerufen. „Heute um 19 Uhr in die Zentren unserer Städte. Russen sind gegen Krieg!“, schrieb sie in einem Facebook-Eintrag. „Wir werden dieses Chaos in den kommenden Jahren beseitigen. Nicht nur wir. Sondern auch unsere Kinder und Enkelkinder.“
Nach Angaben von Bürgerrechtlern wurden bei Anti-Kriegs-Demonstrationen in zahlreichen russischen Städten mehr als 1700 Menschen festgenommen. Das Bürgerrechtsportal Owd-Info registrierte bis zum Donnerstagabend Proteste in etwa 44 russischen Städten. In der russischen Hauptstadt Moskau riefen etwa 1000 Menschen auf dem zentralen Puschkin-Platz „Nein zum Krieg!“. Viele Russen fühlen sich den Ukrainern eng verbunden, oft bestehen familiäre Beziehungen. Bei den Festnahmen sollen demnach auch Demonstranten geschlagen worden sein.
Viele Protestierende hatten angesichts des von Kremlchef Wladimir Putin angeordneten Einmarschs in die Ukraine Tränen in den Augen. Es waren die größten Proteste seit Anfang vergangenen Jahres, als der Kremlgegner Alexej Nawalny nach seiner Rückkehr aus Deutschland in Moskau festgenommen wurde. Nawalny hatte in Russland knapp einen Anschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok überlebt und war dann in Deutschland behandelt worden. Er macht Putin für das Attentat verantwortlich.
„Ich bin gegen Krieg“, sagte der im Straflager inhaftiere Putin-Gegner, dem in einem neuen umstrittenen Prozess 15 Jahre Haft drohen. Der Angriff auf die Ukraine sei ein Brudermord und verbrecherisch. „Die Kremlbande hat ihn losgetreten, damit sie weiter stehlen kann. Sie töten, um zu klauen“, betonte er vor Gericht am Donnerstag.
Kritik an dem von Präsident Wladimir Putin angeordneten Angriff kommt auch von der Bewegung „Fridays for Future“ in Russland. „In einer Situation, in der die Welt unter Klima-, Umwelt- und anderen Krisen leidet, wird ein Krieg diese Krisen nur verschlimmern, aber nicht zu ihrer Lösung beitragen“, schrieben die Aktivistinnen und Aktivisten auf Twitter. „In unserer Zeit müssen alle Konflikte durch Diplomatie gelöst werden und nicht durch das Blut von Zivilisten in anderen Ländern.“ Sie sicherten der ukrainischen Mitstreitern „unsere Solidarität und Unterstützung“ zu.
Russische Behörden haben die Menschen im eigenen Land angesichts des Einmarsches in die Ukraine vor Protestaktionen gewarnt. „Aufgrund der angespannten außenpolitischen Lage“ werde in sozialen Netzwerken zu nicht genehmigten Kundgebungen aufgerufen, teilten Ermittlungskomitee, Innenministerium und Moskaus Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Das Innenministerium drohte mit Festnahmen. Russische Sicherheitskräfte sind bekannt dafür, oft mit Härte gegen oppositionelle Demonstranten vorzugehen.