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Repression in Russland : Anwälte setzen sich für Nawalnyj ein

Alexej Nawalnyj wird im Juni 2021 während einer Gerichtverhaltung aus dem Gefängnis zugeschaltet. Bild: AFP

Nach russischen Ärzten appellieren jetzt auch Hunderte Anwälte, Alexej Nawalnyj nicht länger zu misshandeln. Sie fordern, das der Regimegegner medizinisch angemessen behandelt wird.

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          Nach russischen Ärzten setzen sich nun auch Anwälte des Landes in einem offenen Brief für den unter qualvollen Bedingungen inhaftierten Oppositionspolitiker Alexej Nawalnyj ein. Darin fordern die Juristen, Nawalnyj nicht mehr ständig in Strafisolationshaft festzuhalten und ihm eine ordentliche medizinische Behandlung zu ermöglichen. Anfang Januar war bekannt geworden, dass der zum zehnten Mal seit der Verlegung in die Strafkolonie IK-6 fünf Autostunden östlich von Moskau im Karzer gehaltene Nawalnyj an Fieber, Schüttelfrost und Husten leidet. Nawalnyj und sein Anwalt Wadim Kobsew berichteten über die Verlegung eines Zellengenossen aus der Karzerzelle auf die mit Grippe- und Covid-19-Kranken überfüllte Krankenstation der Strafkolonie und zurück. Das diene offenkundig dem Ziel, Nawalnyj anzustecken.

          Friedrich Schmidt
          Politischer Korrespondent für Russland und die GUS in Moskau.

          Den neuen offenen Brief für den Gefangenen initiierte der Sankt Petersburger Anwalt Viktor Drosdow auf Facebook. Das soziale Netzwerk ist in Russland nur über Umwege zu erreichen. In dem Appell heißt es, die Anwälte könnten nicht „ruhig zusehen“, wie die Rechte und Menschenwürde „unseres Kollegen“ verletzt würden – dem seit mehr als zwanzig Jahren politisch engagierten Juristen Nawalnyj war der Anwaltsstatus in Zusammenhang mit seiner umfangreichen Strafverfolgung aberkannt worden. Weiter hieß es in dem Appell, die Bedingungen, unter denen Nawalnyj in der Strafkolonie festgehalten werde, liefen auf eine Schädigung seiner Gesundheit hinaus. In der kleinen, kargen und kalten Karzerzelle, in die Nawalnyj aus nichtigsten Anlässen wie jüngst einem angeblich verfrühten Waschen verlegt wird, wird die Pritsche morgens um fünf Uhr hochgeklappt und erst abends um 21 Uhr wieder heruntergelassen.

          Das pausenlose Festhalten im Karzer sei „offene Folter“ und bedrohe Nawalnyjs Leben, schrieben die Anwälte. Die Anlässe dafür seien „einfach ausgedacht“. Es gehe nicht darum, den Gefangenen zu bessern (die Abkürzung IK steht für Besserungskolonie), sondern darum, ihn zu misshandeln. Nawalnyjs Aussehen zeuge davon, dass er unter „unmenschlichen Bedingungen“ gehalten werde, schrieben die Anwälte mit Blick auf Fotos des Gefangenen aus Gerichtsverhandlungen, denen er per Videoverbindung zugeschaltet wird. Auch unter Berücksichtigung von Nawalnyjs Vergiftung mit dem militärischen Kampfstoff Nowitschok im August 2020 äußerten die Anwälte Sorgen „für sein Leben und seine Gesundheit“. Die Strafvollzugsbehörde FSIN bedrohe Nawalnyjs Leben, indem sie ihm nötige Medikamente verweigere.

          Behandlung durch zivile Ärzte gefordert

          Dass sich die Anwälte an Wladimir Putin wenden, begründeten sie damit, dass „die ganze Fülle der Macht“ in Russland in den Händen des Präsidenten liege. Die Misshandlung Nawalnyjs müsse aufhören, er müsse durch zivile Ärzte und dringend in einem zivilen Krankenhaus behandelt werden. Drosdow veröffentlichte den Appell am vergangenen Sonntag. Am Dienstag berichtete der Anwalt über mehr als 500 Unterzeichner und bat um weitere Verbreitung, denn nur „Öffentlichkeit“ eröffne „unseren Kindern und Enkeln die Hoffnung auf eine normale Zukunft“. Man dürfe „nicht schweigen“.

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