Rücknahmeabkommen mit Italien : Salvini weiß von nichts
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Sieht noch kein Abkommen mit Deutschland: Italiens Innenminister Salvini Bild: EPA
Deutschland habe sich mit Italien über ein Rücknahmeabkommen mit Italien geeinigt, verkündete Innenminister Seehofer am Donnerstag. In Rom hat man davon aber offenbar noch nichts gehört.
Die gewissermaßen amtliche Erfolgsmeldung von Innenminister Hort Seehofer (CSU) über ein unterschriftsreifes Migrationsabkommen mit Rom hat dem italienischen Innenminister Matteo Salvini von der rechtsnationalistischen Lega nicht gefallen. Noch am späten Donnerstagabend teilte das Innenministerium in Rom mit: „Es gibt keine Übereinkunft über Migranten (mit Berlin).“ Und vor seiner Abreise zur Migrationskonferenz mit Regierungsvertretern aus Nordafrika und mehreren EU-Staaten in Wien bekräftigte Salvini am Freitag, er werde „keinem Vertrag zustimmen, der auch nur einen einzigen zusätzlichen Migranten nach Italien bringen würde“. Weiter unterstrich Salvini, dass jede mögliche Übereinkunft mit Berlin allein für künftige Fälle gelten würde, „über zurückliegende Ereignisse wird nicht mehr diskutiert“. Im Klartext heißt das, dass Rom auch jene 113 „Sekundärmigranten“, die seit Juni an der Grenze zwischen Österreich und Deutschland aufgegriffen wurden und zuvor schon in Italien registriert worden waren, nicht zurücknehmen wird.
Die grundsätzliche Schwierigkeit eines deutsch-italienischen Migrationsabkommens besteht darin, dass sowohl Horst Seehofer wie Matteo Salvini ihrer heimischen Klientel zugesagt haben, die Zahl der Flüchtlinge im eigenen nationalen Saldo jeweils zu verringern. Und beide Seiten haben sich immer wieder darüber beklagt, dass die europäischen Partner ihre Verpflichtung zur Lastenteilung nicht erfüllen. Für Seehofer wie für Salvini wäre schon ein bilaterales Abkommen mit Migrations-Nullsaldo eine halbe Niederlage. Seehofer gegenüber sitzt Salvini am längeren Hebel: Seine rechtsnationalistische Lega ist ausweislich jüngster Umfragen derzeit die populärste Partei im Land, der in konventionellen wie sozialen Medien allgegenwärtige Innenminister und stellvertretende Regierungschef erfreut sich zudem hoher Zustimmungswerte zu seiner Amtsführung und seiner Person.
Unilaterales Exempel
Für ihn gibt es keinen Grund, von der Strategie abzurücken, in der Migrationspolitik ein unilaterales und auch konfrontatives Exempel zu statuieren. Nach der Ankunft von 184 Bootsflüchtlingen auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa in der Nacht zum Freitag hat Salvini abermals scharfe Kritik an Malta geübt. Die Regierung in Valletta habe „zum x-ten Mal das Problem auf Italien abgeladen“, obwohl Rom die maltesischen Behörden auf die Schnellboote aufmerksam gemacht habe, als diese sich noch in maltesischen Gewässern befunden hätten. Man arbeite an einer „innovativen und effizienten Lösung“ mit Blick auf die Neuankömmlinge von Lampedusa, namentlich einer sogenannten „Blitzrückführung“ der tunesischen Migranten unter ihnen.
Doch mit der Abschiebung von Zuwanderern ohne Bleiberecht beziehungsweise mit abgelehntem Asylbescheid tut sich die Regierung in Rom schwer. Das gibt auch Salvini zu. Jüngst klagte er öffentlich darüber, beim gegenwärtigen Abschiebetempo – seit Regierungsantritt der panpopulistischen Koalition Anfang Juni wurden knapp 4300 Personen ausgeflogen – werde es „wohl achtzig Jahre“ dauern, bis sämtliche „irregolari“ in ihre Herkunftsländer zurückgeschafft seien. Im Wahlkampf hatte Salvini versprochen, im Falle einer Regierungsbeteiligung seiner Lega würden kurzfristig 500.000 „Irreguläre“ außer Landes geschafft.
Doch es ist nicht leicht, bilaterale Abkommen mit Herkunftsländern zu schließen. Von der sozialdemokratischen Vorgängerregierung hat Salvini solche Verträge mit Ägypten, Gambia, Nigeria und Tunesien „geerbt“. Mit Marokko gibt es eine Zusammenarbeit in der Sache ohne formales Abkommen. Am besten funktioniere die Zusammenarbeit mit Tunesien, lobte Salvini: Derzeit gehen von Italien zwei Charterflüge pro Woche mit jeweils rund 40 Personen nach Tunis. „Bis zum Herbst“ will der Minister auch mit Bangladesch, der Elfenbeinküste, Eritrea, Mali, Niger, Pakistan und Sudan Rücknahmeabkommen schließen. Angesichts dieses überaus ehrgeizigen Ziels ist ein Abkommen mit Deutschland nicht prioritär.