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Repression in Russland : Russland wickelt die Zivilgesellschaft ab

Ein Abbild Sacharows auf der Berliner East Side Gallery im November 2009 Bild: picture alliance /

Das Moskauer Sacharow-Zentrum verliert seine Räume. Auch die älteste Menschenrechtsgruppe des Landes wird aufgelöst. Deren langjährige Vorsitzende hatte Putin noch vor wenigen Jahren selbst ausgezeichnet.

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          Russland geht weiter gegen seine Zivilgesellschaft vor. Das Moskauer Sacharow-Zentrum teilte am Donnerstag mit, die Stadtverwaltung habe alle Mietverträge mit ihm beendet, mit Verweis darauf, dass der Staat „ausländische Agenten“ nicht mehr unterstützen dürfe. Als solcher wird das an den sowjetischen Physiker und Menschenrechtler Andrej Sacharow (1921 bis 1989) erinnernde Zentrum seit 2014 diffamiert.

          Friedrich Schmidt
          Politischer Korrespondent für Russland und die GUS in Moskau.

          In seinen zentral und schön am Fluss Jausa gelegenen Räumen fanden seit den Neunzigerjahren viele Ausstellungen, Theateraufführungen und Diskussionen statt. Die Miete sei unentgeltlich gewesen, schrieb das 1996 gegründete Zentrum nun: Seinerzeit habe der Stadt verstanden, dass man Sacharows Erbe wahren müsse. Gäste wie Václav Havel kamen, Trauerfeiern wie für den 2015 ermordeten Boris Nemzow fanden im Zentrum statt.

          „Eine Insel der Freiheit ist unmöglich im modernen Russland“, das sich vom Erbe Sacharows ebenso abgewandt habe wie vom Humanismus, teilten die Menschenrechtler mit. Am Zentrum steht bisher auch ein Stück der Berliner Mauer.

          Putin kam einst zum Tee trinken

          Am Montag hatte das Justizministerium die bald nach dem Tod des Physikers auf Initiative von dessen Witwe in den Vereinigten Staaten gegründete Andrej-Sacharow-Stiftung für in Russland „unerwünscht“ erklärt, sie damit faktisch mit einem Tätigkeitsverbot belegt.

          Auf Antrag desselben Ministeriums hat nun zudem das Moskauer Stadtgericht die Moskauer Helsinki-Gruppe aufgelöst, Russlands älteste Menschenrechtsgruppe, wegen angeblicher Rechtsverstöße. Der 79 Jahre alte Kovorsitzende der Gruppe, Valerij Borschtschow, sprach von einer „großen Sünde“: Es sei frappierend, mit welcher „Leichtigkeit“ vernichtet werde, was in Jahrzehnten aufgebaut worden sei. Die Helsinki-Gruppe war 1976 gegründet worden, um die Einhaltung der im Vorjahr von der Sowjetunion in der Schlussakte von Helsinki eingegangen Menschenrechtsverpflichtungen zu überwachen. Die Dissidenten wurden in ihrer Frühzeit verfolgt, mehrere Mitglieder der Gruppe zu Lagerhaft verurteilt oder ins Exil getrieben.

          2017 hatte Präsident Wladimir Putin die langjährige Vorsitzende der Gruppe Ljudmila Alexejewa (1927 bis 2018) zu deren 90. Geburtstag besucht, mit ihr Tee getrunken und sie für Verdienste um den Rechtsschutz ausgezeichnet. Jüngst sagte die Geschäftsführerin der Helsinki-Gruppe, Swetlana Astrachanzewa, käme Putin heute bei Alexejewa zum Tee vorbei, würde sie ihn nicht empfangen.

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