Putin in London : Sport und Mord
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Zu Gast bei Kritikern: Putin (links) und Cameron betreiben „Judo-Diplomatie“ Bild: dpa
Das Mittagessen mit Premierminister Cameron brachte den britisch-russischen Verhältnis bestenfalls eine kleine Lockerung: Vladimir Putin wollte in London nur Judo gucken.
Seit sieben Jahren war Wladimir Putin nicht mehr in Großbritannien, und wahrscheinlich wäre er auch am Donnerstag nicht gekommen, hätte er nicht erwarten können, dass der russische Judo-Weltmeister Tagir Chaibulajew im Osten Londons olympisches Gold erringen würde - wie es dann auch geschah. Putins Mittagessen mit Premierminister David Cameron in der Downing Street gab dem Besuch zwar auch eine politische Note, aber Kenner der britisch-russischen Beziehungen versprechen sich von der „Judo-Diplomatie“ bestenfalls eine kleine Lockerung. Das Verhältnis zwischen London und Moskau ist schnell beschrieben: Es ist schlecht.
An den wundesten Punkt erinnerte am Donnerstag Marina Litwinenko, die Witwe des ermordeten Kreml-Kritikers Alexander Litwinenko. Sie forderte die Londoner auf, am Tag des Besuchs ein weißes Band zu tragen, das Protestzeichen der russischen Opposition. Alexander Litwinenko, zunächst Asylbewerber und dann britischer Staatsbürger, war im Jahr 2006 in einem Londoner Hotel mit der radioaktiven Substanz Polonium 210 vergiftet worden und hatte auf dem Sterbebett Wladimir Putin für seinen Tod verantwortlich gemacht. Ermittlungen der Briten führten zum russischen Geheimdienstoffizier Andrej Lugowoj, dessen Auslieferung seit Jahren verlangt wird. Moskau lehnt dies mit Verweis auf die russische Verfassung ab.
Im Zentrum des Gesprächs dürfte Syrien gestanden haben
Aus kaum einem anderen Land dringt so scharfe Kritik am Umgang der russischen Regierung mit Dissidenten wie aus Großbritannien. Das liegt nicht nur daran, dass sich die britische Regierung gerne als Vorkämpfer für die Menschenrechte präsentiert, sondern auch an der beachtlichen Zahl russischer Exilanten in London. In den vergangenen Jahren erregte in Britannien der Tod des Juristen Sergej Magnitzki in einem russischen Gefängnis Empörung, ebenso die Inhaftierung des Dissidenten Alexej Nawalny. Zur Zeit erhitzt der anstehende Prozess gegen die Punk-Rockerinnen von Pussy Riot die Gemüter. Mehrere namhafte Musiker aus Großbritannien sprachen am Donnerstag von „absurden Vorwürfen“ gegen die russischen Band-Mitglieder. In einem offenen Brief, den die „Times“ abdruckte, appellierten sie an den Gast aus Russland, ein faires Verfahren in Moskau zu ermöglichen.
Im Zentrum des Gesprächs dürfte Syrien gestanden haben. In der vergangenen Woche verurteilte der britische Außenminister William Hague das dritte russische Veto gegen eine druckvolle UN-Resolution als „nicht zu entschuldigen und nicht zu rechtfertigen“. Aus der Downing Street war gestreut worden, dass Cameron versuchen werde, Putin von den Vorzügen einer härteren Gangart gegenüber dem Assad-Regime zu überzeugen. Der britische Regierungschef werde Putin mit dem Argument konfrontieren, dass in Syrien nur jene Länder dauerhaft Einfluss behalten würden, die rechtzeitig auf den politischen Übergang setzten, war von europäischen Diplomaten zu hören.
Dass Putin dies kaum umstimmen dürfte, machte einer seiner Berater, Sergej Markow, schon vor dem Eintreffen des russischen Präsidenten deutlich. In einem Interview mit dem Sender BBC bezeichnete Markow die westliche Haltung gegenüber Syrien als „emotional“ und bekräftigte, dass Putin einen „ignoranten und irrationalen Umsturz“ in Syrien nicht unterstützen werde. Moskau wirft den westlichen Mächten im Sicherheitsrat unter anderem vor, Russland mit der UN-Resolution zu Libyen überlistet zu haben, weil sie entgegen dem Wortlaut zur Legitimierung eines Regimesturzes herangezogen worden sei. „Russland wird sich erst bewegen, wenn Assad tot oder ins Ausland geflüchtet ist“, vermutet ein europäischer Diplomat in London. Einen Meinungswechsel Putins erwarte derzeit niemand - und der Letzte, der dies bewirken könnte, sei der Regierungschef Großbritanniens.