Proteste in Russland : Putin und die Affenbande
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Der Kälte trotzend: Etwa 120.000 Menschen demonstrierten am Samstag auf dem Sacharow-Prospekt in Moskau für ehrliche Wahlen Bild: AFP
Die Demonstranten in Moskau spotten lustvoll über den Mann, der wieder in den Kreml will. Aber Ideen dafür, wie es weitergehen soll, hat die Bewegung noch nicht.
Sie waren lange vor den Demonstranten da, standen in Nebenstraßen des Moskauer Sacharow-Prospekts und hatten von freigebigen Kommandeuren sogar hohe Filzstiefel, die berühmten russischen „Walenki“, genehmigt bekommen. Da Walenki aber für strengen Frost und hohen Schnee in sibirischen Wäldern gedacht sind und gegen Moskauer Schneematsch nichts auszurichten vermögen, wenn nicht zum Schutz Galoschen aus Gummi mitgeliefert werden, standen viele der Soldaten der Streitkräfte des russischen Innenministeriums mit nasskalten Füßen frierend in lockerer Ordnung herum.
Für sie gab es nichts zu tun. Die zweite große Protestkundgebung in Moskau nach der Parlamentswahl vom 4. Dezember, deren Ergebnisse viele für Betrug halten, blieb friedlich. Lange nachdem die bis zu 100.000 Moskauer die Veranstaltung für ehrliche Wahlen am Samstag verlassen hatten, durften auch die Soldaten auf ihre Lastwagen steigen und in die Kasernen fahren. Die Drohkulisse, die der Staat für nötig gehalten hatte, wurde abgeräumt. Dass es in Moskau friedlich zuging, heißt aber nicht, dass die Staatsführung nun einfach zur Tagesordnung übergehen könnte, so als sei nichts gewesen.
Putins Zeit an der Macht sei abgelaufen
Ministerpräsident Putin, der sich am 4. März zum dritten Mal um die Präsidentschaft bewirbt, schickte nach der größten Protestkundgebung der vergangenen zwei Jahrzehnte seinen Sprecher vor, um die Landsleute darüber zu unterrichten, dass die Staatsführung die Botschaft vernommen habe, auch wenn die Demonstranten nur eine Minderheit seien und die Mehrheit der Bürger nach wie vor „den Politiker Putin“ unterstütze. Daran ist freilich nur richtig, dass Putin unter den Mitbewerbern um die Präsidentschaft - etwa dem Kommunistenchef Gennadij Sjuganow oder dem Nationalisten Wladimir Schirinowskij - in der Bevölkerung die größte Zustimmung verzeichnet. Laut der jüngsten Umfrage des Lewada-Zentrums wollen aber nur noch 36 Prozent der Russen den von seiner Partei zum „Führer der Nation“ erklärten Putin zum Präsidenten wählen. Würde ehrlich gewählt, hätte Putin kaum Aussicht, die Wahl in der ersten Runde für sich zu entscheiden.
Die Volksmenge auf dem Sacharow-Prospekt ist sich sicher, dass Putins Zeit an der Macht abgelaufen sei. Sie applaudiert frenetisch, als Aleksej Nawalnyj, der neue Star der Putin-Gegner, seine Qualitäten als Volkstribun beweist. Russlands bekanntester Blogger, der bei der ersten Großdemonstration zwei Wochen zuvor nicht dabei war, weil er nach einer unerlaubten Kundgebung am Wahlabend zu 15 Tagen Arrest verurteilt worden war, hat schon den Ton des Wahlkampfs bestimmt: Von ihm stammt die populär gewordene Formulierung, die Putin-Partei Einiges Russland sei die „Partei der Gauner und Diebe“.