Aufstände in Irak und Libanon : Konterrevolution aus Teheran
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Teherans langer Arm: Überfall der Hizbullah auf ein Protest-Zeltlager in Beirut Bild: dpa
Die Sozialproteste im Libanon und Irak sind eine Bedrohung für Iran: Während der lange Arm des Regimes im Irak Demonstranten hinrichten lässt, ist seine Macht im Libanon begrenzt.
Mike Pompeo hat wohl nicht nur an die Libanesen gedacht, als er am Dienstag den dringenden Appell an die libanesischen Führer richtete, zügig eine effektive Regierung zu bilden, die den „Bedürfnissen der Bürger“ gerecht werde. Die Worte des amerikanischen Außenministers richteten sich indirekt auch gegen das Regime in Iran, dessen Vasallen in der derzeitigen Führung des Libanons sitzen. Die Proteste, die Pompeo als „Ausdruck nationaler Einheit“ lobte, sind eine Bedrohung für die Islamische Republik – und gleiches gilt auch für die Demonstrationen im Irak.
In beiden Ländern will eine breite Protestbewegung ein System zu Fall bringen, dessen Vertreter hochgradig korrupt sind. In beiden Ländern wird diese Elite dadurch geschützt, dass dieses System die religiöse Spaltung der Gesellschaft ausnutzt und Posten unter den verschiedenen Bevölkerungsgruppen aufteilt. Und in beiden Ländern hat das iranische Regime dieses System geschickt für seine Zwecke genutzt, indem es mächtige Stellvertreter in Stellung gebracht hat, die Irans Interessen wahren.
Jetzt wird das Netz, welches Teheran mit Geduld, Skrupellosigkeit und Raffinesse über die gesamte Region gespannt hat, in zwei zentralen Ländern erschüttert – und das durch Volksaufstände, die vor allem wirtschaftlich motiviert sind. Das kann der autoritären iranischen Führung nicht behagen, die wegen der amerikanischen Sanktionen ihrerseits unter enormem sozioökonomischen Druck steht. Kein Wunder also, dass das Schattenreich der iranischen Revolutionsgarden sowohl im Libanon als auch im Irak zur Konterrevolution bläst.
Skrupelloses Vorgehen im Irak
Im Irak ist der Gegenschlag brutal. Die Erfüllungsgehilfen Teherans haben einen großen Anteil daran, dass die erste Protestwelle Anfang Oktober in einem Blutbad endete. Demonstranten wurden durch präzise Schüsse in die Brust oder den Kopf niedergestreckt. Augenzeugen berichteten, wie Krankenwagen gezielt unter Feuer genommen wurden. Schlägertrupps stürmten die Häuser führender Köpfe der Protestbewegung. Als unlängst ein Untersuchungsbericht der Regierung veröffentlicht wurde, in dem von 159 getöteten Demonstranten die Rede war, wurde nicht nur der Einwand geäußert, die tatsächliche Zahl der Opfer liege wahrscheinlich deutlich höher. Es wurde auch scharfe Kritik laut, weil der Bericht die mutmaßlichen Täter nicht entschieden beim Namen nenne.
Dagegen zeigt ein Papier der amerikanischen Denkfabrik „Washington Institute for Near East Policy“ anschaulich, wie weit die iranischen Revolutionsgarden und die von ihnen gelenkten schiitischen Milizen in die Gewaltexzesse verstrickt waren. Milizkommandeure und iranische Offiziere hätten eigens einen klandestinen Krisenstab gebildet, der die Niederschlagung der Proteste organisierte.
Dort seien etwa Informationen über Aktivisten der Protestbewegung gesammelt und der tödliche Einsatz von Heckenschützen organisiert worden. Das Papier nennt Namen: Qassem Soleimani ist darunter, der berüchtigte Kommandeur der Quds-Brigaden, einer Elitetruppe der iranischen Revolutionsgarden, die für Auslandseinsätze zuständig ist. Es werden ebenso Kommandeure irantreuer schiitischer Milizen genannt. Außerdem führende Kader der „Volksmobilisierung“ (Haschd al schaabi), einer Dachorganisation meist schiitischer Milizen, die im Krieg gegen den „Islamischen Staat“ (IS) ausgehoben worden waren. Die Kräfte der „Volksmobilisierung“ sind offiziell Teil der irakischen Regierung. Doch einige der Milizen unter dem Dach der „Haschd al schaabi“ spielen ihr eigenes Spiel – im Sinne Irans.