Proteste in Hongkong : Wie China sich unverhohlen einmischt
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Demonstranten und Mitglieder der Luftfahrtindustrie protestieren gegen die jüngste Gewalt in Yuen Long am Flughafen Hongkong. Bild: Reuters
Nachdem sich Peking lange zurückgehalten hatte, droht es den Aktivisten in Hongkong nun offen. Doch die lassen sich bislang nicht einschüchtern. Derweil werden neue Gewalteskalationen befürchtet.
Die Hongkonger Aktivisten sollten die chinesische Geschichte studieren, riet die Sprecherin des Außenministeriums in Peking. „Wer von denen, die sich zu Komplizen ausländischer Kräfte gemacht haben, hat ein gutes Ende genommen?“, fragte sie am Freitag rhetorisch. Sie kritisierte damit die jüngste Protestaktion, bei der am Freitag einige Tausend schwarz gekleidete Demonstranten sich am Hongkonger Flughafen versammelten, um ausländische Reisende über die Ziele der Protestbewegung zu informieren. So, ätzte die Sprecherin des Außenministeriums wollten sie „externe Kräfte zum Eingreifen in Hongkonger Angelegenheiten bewegen“.

Politische Korrespondentin für Ostasien.
Das britische Außenministerium gab am Freitag eine Warnung an Reisende aus, dass ihre Flüge von der Demonstration betroffen sein könnten. Obwohl kein Flug gestrichen werden musste, laufen die Aktivisten Gefahr, Sympathien in der Hongkonger Geschäftswelt zu verspielen. Dahin zielt auch das Kalkül der Zentralregierung in Peking.
Im zensierten chinesischen Internet wurden im großen Stil Schmähkommentare über die Demonstranten am Flughafen verbreitet. Nach Darstellung des sozialen Netzwerks Weibo wurden sie von mehr als 30 Millionen Nutzern gelesen. Die Aktivisten wurden darin als „Müll“ und „Verbrecher“ verunglimpft. Manche Kommentatoren forderten hohe Strafen für sie. Unter den Demonstranten waren auch Mitglieder einer Gewerkschaft des Bordpersonals der Fluggesellschaft Cathay Pacific, was im Internet zu Forderungen Anlass gab, das Unternehmen vom chinesischen Markt auszuschließen.
Daran zeigt sich, dass die chinesische Führung ihre Herangehensweise gegenüber der politischen Krise in Hongkong verändert hat. Über Wochen hatte die Zensurbehörde alle Hinweise auf die Proteste in der Sonderveraltungsregion aus dem Internet gelöscht. Die Parteimedien hatten die Vorkommnisse weitgehend ignoriert. Im Gegensatz dazu wird die Protestbewegung inzwischen von offiziellen und inoffiziellen Quellen gezielt diffamiert.
Geändert hat Peking auch seine politische Distanz zu den Ereignissen. Bis vor Kurzem war der chinesischen Führung daran gelegen, dass die Verantwortung für die politische Krise allein der Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam zugeschrieben werde. Das änderte sich in dieser Woche schlagartig, als das Verteidigungsministerium öffentlich über die Möglichkeit eines Einsatzes der Volksbefreiungsarmee sinnierte – vorausgesetzt, Hongkong bitte um Unterstützung. Die Hongkonger Regierung hat inzwischen klargestellt, dass sie nicht gedenkt, die Armee zur Hilfe zu rufen.
Polizei verbietet für Samstag angekündigte Demonstration
Einen der Pro-Pekinger Scharfmacher hielt das nicht davon ab, Öl ins Feuer zu gießen. Der Hongkonger Abgeordnete Junius Ho, der verdächtigt wird, mit den Schlägertrupps vom vergangenen Sonntag zusammenzuarbeiten, sagte den Aktivisten in einem Video: „Welcher Weg liegt vor euch? Ein Weg ist, am Leben zu bleiben. Ein anderer ist, nicht am Leben zu bleiben. Ihr habt die Wahl. Entscheidet bald.“
In der Stadt geht die Sorge um, dass es an diesem Wochenende zu einer neuen Gewalteskalation kommen könnte. Zwar hat die Polizei eine für Samstag angemeldete Demonstration verboten, doch viele Aktivisten haben schon angekündigt, sich dennoch im Distrikt Yuen Long zu versammeln. Dort hatten Dutzende vermummte Männer in einer U-Bahn mit Metallstangen und Bambusstöcken auf Passanten eingeschlagen, von denen manche von einer Demonstration in der Innenstadt zurückgekehrt waren. Es gab 45 Verletzte. Die Polizei begründete die Absage mit Bedenken der Anwohner und angeblichen Planungen von Aktivisten, ein Dorf anzugreifen, aus dem Mitglieder jener Mafiagruppe stammen sollen, die an der Prügelattacke beteiligt gewesen sein sollen.
Die Angst vor neuer Gewalt geht so weit, dass die Leiter von elf Universitäten in Hongkong ihre Studenten schriftlich aufriefen, der verbotenen Demonstration fernzubleiben. „Da die Situation weiter im Fluss ist und extrem volatil und gefährlich werden kann, wollen wir euch auf entschlossenste Weise dazu auffordern, euch zu eurer eigenen Sicherheit davon fernzuhalten“, hieß es in dem Schreiben. Es gibt Befürchtungen, dass es zu Kämpfen zwischen Demonstranten und Bewohnern des Distrikts kommen könnte. Yuen Long ist vergleichsweise ländlich und liegt nahe der Grenze zum chinesische Festland. Viele der Bewohner dort gelten als Unterstützer der Zentralregierung in Peking.
Befürchtet wird außerdem, dass Mitglieder von Mafiagruppen gegen die Demonstranten vorgehen könnten. Auf dem chinesischen Festland kommt es immer wieder vor, dass bezahlte Schlägertruppe gegen politische Gegner eingesetzt werden. Die Hongkonger Triaden, wie die Mafia hier genannt wird, waren vor fünf Jahren bereits gegen Aktivsten der Regenschirmbewegung vorgegangen, um diese einzuschüchtern. Von der verbotenen Demonstration an diesem Samstag soll nach dem Willen der Demonstranten deshalb dieses Signal ausgehen: Wir lassen uns nicht einschüchtern.