Protest gegen Iran : Uns gibt es auch noch
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Iranische Studenten demonstrieren vor der Amir-Kabir-Universität in der Innenstadt von Teheran nach einer Trauerfeier für die Opfer des Flugzeugabsturzes. Bild: dpa
Hunderttausende Getreue des Teheraner Regimes gingen diese Woche auf die Straße. Aber das heißt nicht viel in einem Staat, der sich meisterhaft auf Propaganda versteht – schon am Samstag hieß es wieder „Tod dem Revolutionsführer“.
Sogar der Revolutionsführer weinte. Jedes Mal, wenn ihm die Stimme versagte, stimmten die Massen in Teheran Klagerufe an, schluchzten um Soleimani, dessen Sarg vor ihnen aufgebahrt war, und schworen Amerika Rache. Aus der Luft betrachtet, glich das Zentrum Teherans einem kilometerlangen, fein gepunkteten Teppich. Beobachter zählten eine Million Menschen. Der iranische Außenminister fragte Trump auf Twitter: „Haben Sie jemals ein solches Meer an Menschlichkeit gesehen?“
Es dauerte nicht lang, bis sich auch in Washington und Berlin, in Paris und London der Eindruck festgesetzt hatte: Die Wut über den amerikanischen Präsidenten hat Iran geeint. Einmütige Trauer in Teheran, Maschad und Ahwaz und auch über die iranischen Staatsgrenzen hinaus, in den irakischen Städten Bagdad, Kerbela und Nadschaf, ja, Trauer auch im libanesischen Beirut.
Genau dort, wo empörte Zivilisten in den zurückliegenden Monaten tagein, tagaus gegen den langen Arm Teherans aufbegehrt hatten, bekundeten nun schiitische Milizen den Mullahs ihre Ergebenheit. Die Fotos von Soleimani: überall.
Überall? Auf dem Tahrir-Platz in Bagdad jedenfalls nicht. Im Herbst riefen sie hier: „Raus, raus, Iran!“ Nun, nach dem Drohnenangriff auf Soleimani, gab es eine kleine Anpassung der Parole: „Nein zu Iran, nein zu Amerika!“ Akram Assam war vor kurzem noch da, seine Freunde besuchen. Nun ist er wieder zurück in Amsterdam, wo er Theater studiert, und schwärmt von dem Gemeinschaftsgefühl auf dem Tahrir-Platz. „Da fragt dich keiner, ob du Sunnit oder Schiit bist.“ Er selbst ist Schiit, so wie die Mullahs in Teheran, aber Soleimani weint er keine Träne nach. „Ich war ein bisschen froh“, gesteht er. „Er hat so viele Leute auf dem Gewissen.“
Weiter oben im Norden des Iraks, wo Christen und Kurden leben, gibt es keine Proteste, aber genauso viel Unmut über Korruption, Armut, Arbeitslosigkeit. Fadi Esa Saqat lebt in einem Dorf bei Mossul. Er klagt, dass er als Christ keine Chance habe, wenn in einer Schule oder Universität eine Stelle frei werde. „Die iranischen Milizen verteilen die Jobs.“ Wenn er daran denkt, dass die Amerikaner bald das Land verlassen könnten, wird ihm angst und bange. „Dann hat Teheran noch mehr Einfluss.“
Gegen den Hass zwischen den Konfessionen
Die ständige Kontrolle Irans hat auch Joseph Kai in Beirut satt. Er ist Illustrator, hat Dutzende Plakate und Banner für die libanesischen Proteste entworfen. Auch hier wollen sie Brot und dass grundlegende Dinge wie Müllabfuhr und Gesundheitssystem funktionieren. Eigentlich Forderungen, denen sich alle anschließen könnten. Doch die Hizbullah fühlt sich von der antiiranischen Stimmung im Land bedroht. Ihre Anhänger haben die Demonstranten immer wieder mit Schlagstöcken angegriffen.
In dieser Woche trauern viele der Schiiten im Libanon um ihren General, im Süden Beiruts hängt an jeder Laterne sein Konterfei. Im Zentrum der Stadt wollen sich die Demonstranten dagegen am Sonntag wieder versammeln, Christen und Muslime Seite an Seite, Sunniten, Schiiten und Drusen gegen den Hass zwischen den Konfessionen, den Teheran und die Hizbullah schüren.