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Präsidentenwahl in Mexiko : Ein Festival der Korruption

Mit dem Image des Saubermanns: Der linke Präsidentschaftskandidat López Obrador am Mittwoch bei einem Wahlkampfauftritt in Mexiko-Stadt Bild: Reuters

In Mexiko führt der linke Kandidat López Obrador die Umfragen für die Präsidentenwahl an. Er profitiert von der Korruption im Land – doch auch seine Vergangenheit wirft Fragen auf.

          5 Min.

          Wer in Mexiko ein Museum der Korruption sucht, stößt auf die „Casa Blanca“. Die Villa in einem noblen Viertel in Mexiko-Stadt tauchte vor zwei Jahren sogar kurzzeitig unter diesem Begriff in der Suchmaschine Google Maps auf. Angélica Rivera, die Frau von Präsident Enrique Peña Nieto, hatte die Liegenschaft im Wert von rund sieben Millionen Dollar von einem Unternehmer und Vertrauten von Peña Nieto erworben. Das Bauunternehmen des Mannes hatte Staatsaufträge erhalten, als Peña Nieto Gouverneur des Bundesstaates México war. Ob die Villa eine Gegenleistung dafür war? Als der Fall ans Tageslicht kam, wurde der Kauf der Villa jedenfalls annulliert. Zwei Jahre später entschuldigte sich Peña Nieto öffentlich für „den Fehler“ – mehr nicht.

          Tjerk Brühwiller
          Korrespondent für Lateinamerika mit Sitz in São Paulo.

          Es blieb nicht der einzige Skandal in der sechsjährigen Amtszeit von Peña Nieto, die in diesem Jahr zu Ende geht. Mehrere Gouverneure seiner „Partei der Institutionellen Revolution“ (PRI) wurden in den vergangenen Jahren der Korruption überführt. Vor einigen Monaten kam heraus, dass zwischen 2013 und 2014 über Verträge zwischen staatlichen Universitäten und Scheinfirmen 192 Millionen Dollar abgezweigt wurden. Mindestens zwei Minister und ein Gouverneur der PRI sollen in den Skandal verwickelt sein. Und auch die Spuren der Schmiergelder, die der brasilianische Baukonzern Odebrecht in Mexiko verteilte, führen in die oberste Regierungsebene.

          Wahlen am 1. Juli

          Es verwundert nicht, dass drei Viertel der Mexikaner ihren Präsidenten für korrupt halten. Doch die Wahrnehmung beschränkt sich nicht auf die Regierung. Die Mexikaner zählen die Korruption zu den drei größten Problemen des Landes – zusammen mit der Gewalt und der Armut. Der angestaute Unmut hat den Druck auf die Politik erhöht. In einer fast historischen Abstimmung hat das Abgeordnetenhaus vor kurzem einer seit langem geforderten Verfassungsänderung zugestimmt, um die Immunität der Staatsbediensteten – von den Parlamentariern über die Richter bis hin zum Präsidenten – aufzuheben.

          Derzeit sind die Amtsträger vor Strafverfolgung geschützt. Die Immunität wurde einst zum Schutz der Meinungsfreiheit eingeführt; sie ließ aber auch die Korruption gedeihen. Die Abgeordneten haben die Verfassungsänderung einstimmig gutgeheißen. Am 1. Juli sind Wahlen in Mexiko, und die Bestechlichkeit ist im Wahlkampf zu einem zentralen Thema geworden. Jede Partei will sich hervortun beim Kampf gegen die Korruption.

          Politische Beobachter loben zwar den Beschluss der Abgeordneten. Doch sie sind sich einig, dass die Aufhebung der Immunität das Problem nicht beseitigt. „Die Korruption steckt im System“, sagt María Amparo Casar, die Leiterin der Organisation „Mexicanos contra la Corrupción y la Impunidad“ (MCCI). Die Nichtregierungsorganisation hat sich der Korruptionsbekämpfung verschrieben, wobei sie auch investigativen Journalismus unterstützt. Zwei Dutzend Skandale konnte MCCI in den vergangenen zwei Jahren aufdecken – allen Einschüchterungsversuchen zum Trotz.

          Laut Amparo gibt es in Mexiko jährlich vier Millionen Fälle von Korruption. Bei den meisten handle es sich um kleine Vergehen, etwa wenn Bürger Geld dafür bezahlten, damit der Müll entsorgt werde, oder für andere eigentlich kostenlose Leistungen. Die großen Beträge fließen über Staatsaufträge. Mehr als die Hälfte aller öffentlichen Projekte werden in Mexiko ohne Ausschreibung vergeben – und anschließend überteuert. Der Schaden, den die Korruption jährlich verursacht, wird auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts geschätzt: rund zwanzig Milliarden Dollar.

          Korruption gedeiht systematisch

          „Mexiko hat gute Gesetze, doch sie werden nicht umgesetzt“, sagt Amparo. So wird ein großer Teil der Delikte nie zur Anzeige gebracht. Und falls doch, beginnt ein langer Weg durch die Justiz, die ebenfalls käuflich ist. Das Resultat: Bestechlichkeit hat in Mexiko so gut wie nie Konsequenzen. Deshalb lohnt sie sich. „Ein Teufelskreis“, sagt Amparo. „Die Straflosigkeit ist die Wurzel des Problems.“

          Mittlerweile gedeiht die Korruption systematisch. Das liegt vor allem an der hegemonialen Stellung der PRI. Die Partei war mehr als siebzig Jahre lang praktisch allein an der Macht. Die Justiz hat sich unter der PRI zu einem Instrument entwickelt, um Freunde zu schützen und Feinde zu bekämpfen. So ist es bis heute geblieben.

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