Präsidentenwahl : Ägyptische Ungewissheiten
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Das Militär im Rücken: Der künftige Präsident Ägpytens Mohamed Mursi bei der Stimmabgabe am vergangenen Sonntag Bild: dpa
Falls der Muslimbruder Mohammed Mursi tatsächlich die Stichwahl in Ägypten gewonnen hat, haben die Militärs zwar eine Niederlage erlitten, doch das Heft behalten sie vollständig in der Hand.
Falls der Muslimbruder Mohammed Mursi tatsächlich, wie es sich abzuzeichnen beginnt, die Stichwahl in Ägypten gewonnen hat, haben die Militärs eine Niederlage erlitten, denn sie hatten auf den früheren General Ahmed Schafik gesetzt. Doch das Heft behalten sie vollständig in der Hand: In der vorigen Woche wurde die Parlamentswahl vom Obersten Gericht für ungültig erklärt, so dass das Land gegenwärtig ohne Volksvertretung dasteht; eine neue demokratische Verfassung existiert ebenso wenig. Und der Oberste Militärrat regiert nun mit zusätzlichen „Übergangsparagraphen“ direkter als zuvor.
Eineinhalb Jahre nach dem Sturz Mubaraks muss das die Revolutionäre der ersten Stunde zutiefst enttäuschen, ja erbittern, hatten sie doch an eine baldige und umfassende Demokratisierung geglaubt. So sehr es ihnen recht sein dürfte, dass General Schafik als Mann des alten Regimes die Stichwahl wohl nicht gewann, so enttäuscht sind jedoch viele gewiss darüber, dass ein Islamist aller Voraussicht nach nun das Präsidentenamt innehaben wird. Nach der Revolution sei vor der Revolution, mögen sie denken.
Im Unterschied zur Parlamentswahl, die von den Wählern mit einem gewissen Enthusiasmus wahrgenommen worden war, erwies sich die Stimmung bei der Stichwahl vom Wochenende als sehr viel gedrückter. Andererseits überrascht auch nicht, dass die Muslimbrüder - trotz mancher Fehlleistungen in den vergangenen Wochen - noch immer relativ großen Zulauf finden, vor allem in den südlichen Provinzen. Befürworter eines völlig weltlich ausgerichteten Staatswesens nach westlichem Muster haben noch keine Mehrheit im dezidiert islamischen Ägypten. Wird es nun zu einer Konfrontation zwischen Mursi und dem Militär kommen?
Zwei Möglichkeiten liegen nahe: Entweder das Ergebnis der Präsidentenwahl und die prekäre Lage des Landes führen dazu, dass Demonstrationen gegen das Militär, für eine demokratische Verfassung und ein Parlament aufflammen; oder allgemeine Resignation macht sich breit angesichts des übermächtig scheinenden Einflusses des Obersten Militärrates unter Feldmarschall Hussein Tantawi.
Die weltlich-demokratischen Kräfte dürften im Übrigen darauf hoffen, dass das Ansehen der Muslimbrüder und ihres Präsidenten weiter erodiert, wenn sie sich als unfähig erweisen, die massiven Probleme des Landes zu lösen.