Europaparlament lenkt ein : Post-Brexit-Abkommen wird doch ratifiziert
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Der britische Premierminister Boris Johnson unterzeichnet am 24. Januar 2020 das Austrittabkommen der EU mit Großbritannien. Bild: dpa
Das Europäische Parlament hatte mit einer Blockade des Handelsabkommens mit Großbritannien gedroht. Doch jetzt lenkt es ein, obwohl London weiter gegen den Austrittsvertrag verstößt. Die Gefahr eines „harten Brexits“ sei zu groß.
Das Europäische Parlament will in der kommenden Woche die Ratifizierung des Handels- und Partnerschaftsabkommens mit dem Vereinigten Königreich abschließen, obwohl London in Nordirland immer noch gegen das Austrittsabkommen verstößt. Das haben die Vorsitzenden der Fraktionen am Donnerstag entgegen bisheriger Drohungen entschieden, indem sie die Abstimmung über das Abkommen auf die Tagesordnung der nächsten Plenarwoche setzten. Der Vorsitzende des Handelsausschusses Bernd Lange äußerte dazu auf Twitter, man habe sich die Entscheidung „nicht leicht gemacht“. Die Verhandlungen zu Zollkontrollen in Nordirland, die London einseitig ausgesetzt hat, seien „auf Spur“, eine Lösung sei „in Sicht“, behauptete der SPD-Politiker. Das Vereinigte Königreich wolle „keine unilateralen Maßnahmen mehr ergreifen“.
Dafür gibt es bisher allerdings keine Zusage aus London. Verhandlungsführer beider Seiten hatten vorige Woche zwar „technische“ Annäherungen erzielt, aber keinen politischen Durchbruch. Am Dienstag hatte Premierminister Boris Johnson sogar damit gedroht, das Protokoll zu Nordirland ganz auszusetzen, sollte die EU weiter „dogmatisch“ sein. Die Kommission hat wegen der einseitigen Schritte der britischen Regierung ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die Fraktionsvorsitzenden im Europäischen Parlament hatten im Dezember erklärt, sie würden einer Ratifizierung nur zustimmen, wenn London die Bestimmungen des Austrittsabkommens „vollständig umsetzt“.
Der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber von der CSU hatte diese Position vor einer Woche im Gespräch mit der F.A.Z. bekräftigt, andere Fraktionen äußerten sich ähnlich. Am Donnerstag war jedoch keine Fraktion mehr bereit, die Abstimmung zu blockieren. Damit wäre das Risiko eines „harten Brexits“ verbunden gewesen, weil das Abkommen bislang nur vorläufig angewendet wird und dies bis Ende April begrenzt war. London sei zu einer weiteren Verlängerung der Frist nicht bereit gewesen, hieß es erläuternd aus mehreren Fraktionen. Er hätte dem Parlament die Schuld dafür zuschieben können.
Davor hatten Kommission und Rat freilich schon länger gewarnt; auch die irische Regierung drang auf eine Ratifizierung. Beide Institutionen argumentierten, dies werde die EU-Position sogar stärken, weil man dann den im Abkommen vorgesehenen Streitschlichtungsmechanismus auslösen könne. Die Fraktionen schwenkten nun auf diese Linie ein.
Die Kommission habe versprochen, „die rechtlichen Instrumente des Abkommens zu mobilisieren, um eine vollständige Umsetzung des Abkommens zu gewährleisten“, sagte Weber am Donnerstag der F.A.Z. Allerdings dürfte sich ein solches Verfahren über viele Monate hinziehen; am Ende könnte die EU, falls sie Recht bekommt, den britischen Marktzugang einschränken. Weber verwies außerdem darauf, dass man dem irischen Wunsch folge, „den Bürgern und Unternehmen in dieser schwierigen wirtschaftlichen Situation Rechtssicherheit zu geben“.
„Ernste Bedrohung der Integrität des Binnenmarkts“
Am nächsten Dienstag wird mit einer breiten Zustimmung des Europäischen Parlaments gerechnet, wie schon zuvor in den federführenden Ausschüssen. Auch die Grünen wollen erstmals für einen umfassenden EU-Handelsvertrag votieren. Die grüne Vorsitzende des Binnenmarktausschusses Anna Cavazzini begründete dies am Donnerstag mit innovativen Regelungen zu Umwelt- und Sozialstandards. „Das sind große Fortschritte – genau das, was wir immer gefordert haben“, sagte sie. Ihr Missfallen über Nordirland werden die Abgeordneten in einer begleitenden Resolution ausdrücken. Im Entwurf dafür werden die einseitigen Schritte Londons als „ernste Bedrohung der Integrität des Binnenmarkts“ verurteilt. Die Kommission solle das Vertragsverletzungsverfahren „energisch“ vorantreiben, heißt es weiter.