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Nach „Partygate“ : Die Tories schließen die Reihen um Johnson

Boris Johnson und sein Kabinett im Mai in London Bild: AP

Nach dem Ende der polizeilichen Ermittlungen ist „Partygate“ zwar noch nicht ausgestanden. Aber der Druck auf den britischen Premierminister nimmt spürbar ab.

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          Am Tag nach der Einstellung der polizeilichen „Partygate“-Ermittlungen stellten sich die Tories hinter den britischen Premierminister, während die Gegner von Boris Johnson die Logik der Bußgeldzuweisungen in Zweifel zogen und Hoffnungen auf den sogenannten Gray-Bericht setzten. Die Beamtin Sue Gray will ihren Bericht vermutlich noch an diesem Wochenende fertigstellen und an die Downing Street schicken. Dort wurde versprochen, das seit Langem erwartete Dokument umgehend zu veröffentlichen.

          Jochen Buchsteiner
          Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

          Die Londoner Polizei hatte ihre Ermittlungen am Donnerstag nach fast vier Monaten – und unter Einsatz von mehr als einer halben Million Euro – für beendet erklärt. Insgesamt stellte sie 126 Bußgeldbescheide wegen Verletzungen von Corona-Regeln an Mitarbeiter im Regierungsviertel aus. 73 gingen an Frauen und 53 an Männer. 28 Personen wurden für zwei und mehr Verstöße zur Rechenschaft gezogen, einige sogar für fünf. Namen wurden nicht genannt – und werden offenbar auch nicht an Gray weitergegeben. In deren Umfeld äußerte man sich darüber enttäuscht. Es wäre „schwierig“, den Bericht ohne die Namen bestimmter Personen und deren Positionen zu schreiben, hieß es. Gray habe ihre eigene Glaubwürdigkeit zu verteidigen und wolle „nicht den Eindruck erwecken, als verheimliche sie etwas“.

          Bußgeldbescheid wegen Überraschungsfeier

          Die Regierung hatte zu Beginn der Ermittlungen angekündigt, Bußgeldbescheide an Kabinettsmitglieder öffentlich zu machen. Bislang ist nur bekannt, dass Boris Johnson für eine Regelverletzung im Juni 2020 Bußgeld zahlen musste. Diese fand aus Sicht der Polizei statt, als er im Kabinettssaal an seinem 56. Geburtstag mit einem Kuchen gefeiert wurde. Die kurze Überraschungsfeier trug auch Johnsons Frau Carrie und Schatzkanzler Rishi Sunak einen Bußgeldbescheid ein. Es wird davon ausgegangen, dass alle anderen Bescheide an Mitarbeiter und Beamte herausgingen. Nicht jedem leuchtet ein, dass es ein öffentliches Interesse an der Identifikation dieser Personen gibt.

          Regierungskritische Medien versuchten am Freitag vor allem der Frage nachzugehen, warum Johnson nur für eine Zusammenkunft bestraft wurde, obwohl er bei weiteren Versammlungen anwesend war, die für andere Beteiligte Bußgeldbescheide nach sich zogen. Vermutet wurde, dass für Johnson als Bewohner der Downing Street 10 andere Regeln galten als für Mitarbeiter, die sich an ihrem Arbeitsplatz aufhielten. Auch könnten die Ermittler das Argument akzeptiert haben, dass Johnson nur kurz auftauchte und die Versammlungen verließ, bevor sie sich von einem Arbeitstreffen zu einem – verbotenen – geselligen Zusammensein entwickelten. Zur Komplikation trägt bei, dass in der langen Zeitspanne der insgesamt zwölf untersuchten Zusammenkünfte – vier von ihnen wurden schließlich als unbedenklich eingestuft – oftmals unterschiedliche staatliche Verhaltensregeln galten. Für Gray wird es jetzt jedenfalls schwieriger, Johnson jenseits der Geburtstagsfeier Fehlverhalten zu bescheinigen, wenn dies von der Polizei nicht gesehen wird.

          Zu den prominenten ehemaligen Johnson-Kritikern, die nach dem Ermittlungsende beidrehten, gehört der Tory-Abgeordnete Charles Walker. Noch im Februar hatte er es „unvermeidlich“ genannt, dass Johnson wegen Partygate zurücktritt. Jetzt bezeichnete Walker seine Haltung von damals als „falsch“ und sagte: „Der Premierminister wird bleiben.“ Er verglich ihn mit einem „Comeback“-Sportler und sagte: „Sie können ihn lieben oder hassen, aber Boris Johnson ist ein außergewöhnlicher Politiker.“ Die „Times“ zitierte einen anderen früheren Kritiker mit der Aussage, die Position des Premierministers sei nun „absolut sicher“. „Die Tatsache, dass er nur einen Bußgeldbescheid für einen Überraschungsgeburtstagskuchen erhalten hat, lässt seine Kritiker jetzt ein bisschen dumm dastehen“, sagte der frühere Minister.

          Labour-Chef Keir Starmer veränderte mittlerweile den Tenor seiner Rücktrittsforderung. Ohne noch auf Johnsons persönliches Fehlverhalten einzugehen, forderte er nun den Rücktritt des Premierministers, weil der „verantwortlich für die Kultur in der Downing Street“ sei. Gegen Starmer wird mittlerweile selbst ermittelt – wegen der „Beergate“-Affäre. Um sich von Johnson abzuheben, hatte er seinen Rücktritt für den Fall angekündigt, dass auch er ein Bußgeld zahlen muss.

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