„Partygate“-Affäre : Bringen neue Fotos Boris Johnson in Bedrängnis?
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Neuer Ärger: Boris Johnson am Dienstag vor 10 Downing Street Bild: Reuters
Die Bilder zeigen den britischen Premierminister mit erhobenem Glas vor einem Tisch voller offener Flaschen. Vergangenes Jahr hatte er noch gesagt, zu dem Zeitpunkt habe es keine Party gegeben.
In Großbritannien bewahrheitet sich gerade mal wieder, dass ein Bild mehr als tausend Worte sagen kann. Seit Fotos den Weg in die Öffentlichkeit gefunden haben, die den Premierminister im Kreis von Mitarbeitern und vor geleerten Flaschen mit einem erhobenen Glas zeigen, erscheint vielen die unendliche „Partygate“-Affäre in wieder neuem Licht. Wie lässt sich mit den Dokumenten die Versicherung Boris Johnsons in Einklang bringen, dass er nie wissentlich Corona-Regeln missachtet hätte, fragen sie. Und warum schickte die Polizei, die die Fotos offenbar kannte, mindestens einem Teilnehmer der Versammlung einen Bußgeldbescheid, nicht aber dem anwesenden Hausherrn?
Letztere Frage wurde am Dienstag von mehreren Oppositionspolitikern gestellt, aber auch vom Londoner Bürgermeister Sadiq Khan. Die Fotos dokumentierten „deutlich“, dass da eine Party gefeiert und Johnson „auf frischer Tat ertappt“ worden sei, sagte der Labour-Politiker, der für die strategische Ausrichtung der Londoner Polizei verantwortlich ist. Die Polizei müsse nun „erklären, wie sie zu ihren Entscheidungen gekommen ist“ und warum sie nicht mehr Bußgelder verhängt habe. Die Liberaldemokraten richteten eine Beschwerde an die unabhängige Aufsichtsbehörde der Polizei. Ein Polizeisprecher sagte am Dienstag nur, man habe den Ausführungen nach dem Ende der Ermittlungen nichts hinzuzufügen. Am Donnerstag wird allerdings der geschäftsführende Polizeipräsident vor einem Ausschuss des Londoner Stadtparlaments erwartet. Dort wird er vermutlich nach weiteren Ungereimtheiten gefragt werden, etwa warum die Polizei Johnson, dessen Frau Carrie und Schatzkanzler Rishi Sunak mit einem Bußgeld für eine Geburtstagsfeier im Kabinettssaal belegt hat, nicht aber den ebenfalls anwesenden Simon Case, Großbritanniens obersten Beamten.
Während sich am Dienstag mehrere Tory-Abgeordnete kritisch über die Fotos äußerten, spielte der operative Parteichef der Konservativen, Grant Shapps, deren Bedeutung als Teil eines „weit ausgeleuchteten Territoriums“ herunter. „Die Frage ist: War er (Johnson) in dem Büro, um eine Party zu feiern? Und die Antwort ist ganz klar: nein. Er hat vorbeigeschaut, um Danke zu sagen und ein Glas für einen Kollegen zu erheben, der seinen Abschied nahm.“ Die Öffentlichkeit habe all das gewusst, nur gebe es jetzt eben auch Bilder dazu, sagte er. Shapps erinnerte daran, dass Johnson selber Fehlverhalten zugegeben und deshalb organisatorische Veränderungen an seinem Amtssitz vorgenommen habe. Die Fotos wurde am 13. November 2020 im Büro des früheren Kommunikationschefs Lee Cain aufgenommen, eines Vertrauten von Dominic Cummings, Johnsons gefeuertem Chefberater. Die Abschiedsfeier gehörte zu jenen zwölf Versammlungen im Regierungsviertel, die die Polizei untersucht hatte.
Die Fotos haben die Aufmerksamkeit für den sogenannten Gray-Bericht erhöht, der laut Zeitungsberichten an diesem Mittwoch veröffentlicht werden könnte. Er soll eine detaillierte Schilderung aller fragwürdigen Zusammenkünfte in der Downing Street 10 während der Corona-Pandemie enthalten, womöglich auch weiteres Bildmaterial. Noch nicht abgeschlossen ist die Arbeit eines Unterhaus-Ausschusses, welcher der Frage nachgeht, ob der Premierminister das Parlament belogen hat. Johnson wurde im vergangenen Dezember von der Frage einer Abgeordneten überrascht, ob am 13. November des vorangegangenen Jahres eine Party an seinem Amtssitz gefeiert worden sei. Er antwortete damals: „Nein, aber ich bin sicher, was immer passiert ist, die Regeln wurden jederzeit beachtet.“