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„Pandora Papers“ : Andrej Babiš weist jedes Fehlverhalten zurück

Andrej Babiš am 4. Oktober während einer Fernsehdebatte in Prag Bild: dpa

Der tschechische Ministerpräsident beteuert, nichts Gesetzeswidriges getan zu haben. Stattdessen dienten die Berichte der „Pandora Papers“ über seine Geldtransaktionen dazu, ihn zu diffamieren und die Wahl zu beeinflussen.

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          Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš hat den Verdacht von sich gewiesen, es sei bei seinem Kauf von Immobilien in Südfrankreich im Jahr 2009 nicht mit rechten Dingen zugegangen. Er habe damals ordentlich versteuertes Geld für die Transaktion verwendet. Die Nachrichtenplattform Investigace.cz hatte am Wochenende über den Kauf von insgesamt 16 Immobilien um das Schloss Bigaud für angeblich 15 Millionen Euro berichtet. Dokumente zeigten, dass der Transfer vor zwölf Jahren über Briefkastenfirmen auf den Britischen Jungferninseln, in den Vereinigten Staaten und in Monaco abgewickelt worden sei. Die von Strohmännern gehaltenen Firmen gehörten in Wahrheit Babiš. Die Methode gleiche typischen Geldwäschemodellen. Die Dokumente stammten aus dem „Pandora“-Datenkonvolut, das einem Rechercheverbund internationaler Medien zugespielt worden war.

          Stephan Löwenstein
          Politischer Korrespondent mit Sitz in Wien.

          Die Berichte über Babiš sind nicht nur wegen seines Staatsamts brisant, sondern auch wegen der unmittelbar bevorstehenden Parlamentswahl in der Tschechischen Republik. Am kommenden Freitag und Samstag wird das Abgeordnetenhaus neu gewählt. Laut Umfragen kann Babiš bislang damit rechnen, dass die von ihm gegründete und ganz von ihm abhängige Partei ANO stärkste Kraft bleibt, gegebenenfalls mit Einbußen gegenüber den 29,6 Prozent von 2017. Doch könnten zwei oppositionelle Parteienblöcke, die konservativ-liberale Spolu („Gemeinsam“) sowie das links-liberale Bündnis der Piraten mit der Bürgermeisterpartei, gemeinsam in die Nähe einer Mehrheit kommen.

          „Lehrbuch für Geldwäsche“

          Babiš behauptete, die Berichte über seine Geldtransaktionen dienten dazu, ihn zu diffamieren und die Wahl zu beeinflussen. Er versicherte, dass er nichts Gesetzeswidriges getan habe. Die Plattform Investigace.cz wies den Vorwurf eines politischen Motivs zurück. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung sei in keiner Weise von tschechischen Terminen beeinflusst, sondern sei im Zusammenwirken von mehr als 600 Journalisten aus aller Welt festgelegt worden, die an dem internationalen Projekt der „Pandora Papers“ arbeiteten. Das wischte Babiš mit folgender Theorie beiseite: Seine Gegnerschaft habe eine internationale Reichweite und sei in der Lage, „Artikel zu produzieren“.

          Laut der Online-Plattform habe Babiš alle Versuche zur Aufklärung behindert. Die Gruppe von Medien, die an dem Projekt mitwirkten, habe Babiš seit Mitte September mehrmals mit konkreten Fragen nach dem Fall und dem Ansuchen um ein Interview kontaktiert, jedoch nie eine Antwort erhalten. In diesem Zusammenhang sei auch der Vorfall mit einer Pressekonferenz von Babiš (zusammen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán) in der vergangenen Woche zu sehen, bei der Journalisten mehrerer Medien aus dem In- und Ausland abgewiesen worden waren. Der Vorfall hatte scharfe Proteste gegen diese Behinderung der Medienfreiheit hervorgerufen, unter anderen durch die ARD-Führung. Investigace.cz weist nun darauf hin, dass nicht nur diese Plattform, sondern auch mehrere andere der vorab abgewiesenen Medien zu jenen gehörten, die an den Pandora-Papieren mitgearbeitet haben.

          Das Online-Medium weist ausdrücklich darauf hin, dass es keinen Beweis dafür habe, dass Babiš im Zusammenhang mit dem Bigaud-Kauf eine Straftat begangen habe, und dass es daher auch keinen solchen Vorwurf erhebe. Die Daten zu interpretieren überlasse man den Fachleuten und Lesern. Zitiert wird ein ehemaliger tschechischer Finanzermittler, der anhand der Konstruktion der Offshore-Geschäfte ohne Kenntnis von Namen befand, das sehe aus wie aus dem „Lehrbuch für Geldwäsche“.

          Mehr als dreihundert Tschechen

          Die tschechische Ermittlungsbehörde gegen das Organisierte Verbrechen kündigte an, die Vorwürfe aufgrund der veröffentlichten Papiere ohne Ansehen der Personen zu untersuchen. Laut Investigace.cz erscheinen in den Dokumenten die Namen von mehr als dreihundert Tschechen, darunter ein früherer Minister, Lokalpolitiker, ein verurteilter Krimineller, ein Bankmanager, Medien- und Immobilienbesitzer, Waffenhändler. Mehrere Oppositionspolitiker forderten, Babiš müsse schleunigst belegen, dass er das Geld für den Bigaud-Kauf versteuert und den Besitz deklariert habe. Verwiesen wurde unter anderem auf eine Rede des heutigen Ministerpräsidenten aus dem Jahr 2015, in der er versichert habe, keine Offshore-Firmen zu besitzen.

          Babiš, der 2011 als Multimilliardär in die Politik eingestiegen ist, steht wegen seines Finanzgebarens seit Jahren in der Kritik. Ein EU-Bericht wirft ihm einen Interessenkonflikt vor, weil er den von ihm gegründeten Agrofert-Konzern nur der Form halber abgegeben habe, aber tatsächlich nach wie vor kontrolliere. Außerdem liegt ein Bericht der europäischen Anti-Betrugs-Behörde Olaf vor, wonach Babiš durch eine Scheinveräußerung eines Tagungshotels namens „Storchennest“ 2008 Subventionen erschlichen habe. Babiš hat diese Vorwürfe in gleicher Art wie die neu aufgetauchten zurückgewiesen: Es handle sich um politisch motivierte Fabrikate.

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