Jahre im Exil : Oppositionspolitiker Tundu Lissu nach Tansania zurückgekehrt
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Tundu Lissu im Jahr 2020, als er bei den Präsidentschaftswahlen antrat Bild: AFP
Die Opposition in dem ostafrikanischen Land wurde über Jahre drangsaliert. Tundu Lissu überlebte einen Mordanschlag nur knapp. Nun sieht er einen Gesinnungswandel der Regierung.
Kaum hat Tundu Lissu das Flughafengebäude in Daressalam verlassen, bricht der Jubel aus. Anhänger der tansanischen Oppositionspartei Chadema umringen den Rückkehrer am Mittwoch so dicht wie möglich, die meisten haben sich in den Parteifarben Rot, Weiß und Blau gekleidet, jeder will den großen Moment auf dem Handy festhalten. Fünf Jahre hat Lissu, der prominenteste Oppositionspolitiker des ostafrikanischen Landes, im Exil in Belgien verbracht. dort bleiben wollte er nie.
„Ich bin nicht jemand, der Jahre im Exil überlebt, ich bin zu verwurzelt mit meinem Land“, hatte er der F.A.Z. kurz vor seinem Abflug am Telefon gesagt. Daran haben auch körperliche Beschwerden nach einem Attentat nichts geändert. „Es gibt viel zu tun, und meine Anwesenheit ist jetzt mehr als nötig.“ Vom Flughafen fuhr er direkt zu einer Großkundgebung.
Möglich wurde die Rückkehr, weil sich das politische Klima in Tansania nach seinen Worten merklich gebessert hat. Der frühere, mittlerweile verstorbene Präsident John Magufuli hatte mit harter Hand regiert. Achtmal wurde Lissu festgenommen. 2017 überlebte er nur knapp einen Mordanschlag – der nach seiner Überzeugung von der Regierung angeordnet worden war. Die Attentäter schossen sechzehnmal auf ihn.
Schwer verletzt wurde er außer Landes und schließlich nach Belgien gebracht. Dort musste er sich insgesamt 25 Operationen unterziehen. 2020 kehrte er kurzzeitig nach Tansania zurück, um als Oppositionskandidat bei den Präsidentschaftswahlen anzutreten. Seine Anhänger sind bis heute überzeugt, die Wahlen seien manipuliert geworden, und Lissu sei um den rechtmäßigen Sieg gebracht worden. Als er wieder Morddrohungen erhielt, floh er abermals nach Belgien.
Nachdem Magufuli, ein hartnäckiger Leugner der Corona-Pandemie, vermutlich an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben war, übernahm Vizepräsidentin Samia Suluhu Hassan die Staatsführung. Auch sie habe den autoritären Kurs gegenüber der Opposition zunächst mit Inhaftierungen, Angriffen und Morddrohungen fortgesetzt, sagt Lissu. International für Aufsehen sorgte die Verhaftung von Chadema-Parteichef Freeman Mbowe im Juli 2021 wegen zweifelhafter Terrorismusvorwürfe. Acht Monate verbrachte Mbowe in einem Hochsicherheitsgefängnis. Erst im März vergangenen Jahres ließ die Staatsanwaltschaft die Anklage fallen.
Lissu hofft auf „neue Spielregeln“
Neuerdings stellt Lissu aber einen Gesinnungswandel fest. Präsidentin Suluhu Hassan hob vor zwei Wochen ein seit 2016 bestehendes Verbot politischer Kundgebungen der Opposition auf. Politische Gefangene – etwa 400 Menschen – wurden frei gelassen. „Präsidentin Samia“ habe nahezu wöchentlich den Dialog mit den Oppositionsparteien gesucht. „All diese Faktoren legen nahe, dass es Zeit ist zurückzukehren“, sagt Lissu. Noch vor gut einem Jahr wäre er um seine Sicherheit besorgt gewesen, doch Suluhu Hassan persönlich habe sie ihm jetzt garantiert.
Sein erstes Vorhaben ist es, eine schon lange diskutierte Verfassungsreform und eine Reform der Wahlgesetze auf den Weg zu bringen. Die heutige Verfassung stammt aus dem Jahr 1977. Sie garantiert der Staatspräsidentin eine sehr mächtige Position. Diese bestimmt über die Besetzung aller wichtigen staatlichen Institutionen, ernennt die Wahlkommission sowie alle Richter. Magufuli, der den Spitznamen „Bulldozer“ hatte, wusste diese Machtfülle zu nutzen. Auch seine Nachfolgerin lehnte lange Zeit die Forderungen der Opposition ab. Nach ihrem Amtsantritt betonte sie, erst die Wirtschaft „reparieren“ zu müssen. Lissu ist dennoch zuversichtlich. „Wenn wir eine ausreichende Volksbewegung aufbauen, werden wir erfolgreich sein.“ Der Druck aus der Bevölkerung sei enorm. Und er sehe erstmals Reformwillen auf der Gegenseite.
In zwei Jahren finden in Tansania die nächsten Präsidentschaftswahlen statt. Ob der zurückgekehrte Oppositionsveteran abermals antritt, weiß er noch nicht. „Ein oder zwei Jahre sind eine schrecklich lange Zeit in der Politik.“ Vorrangig sei für ihn, die Voraussetzungen für freie und faire Wahlen zu schaffen. „Erst müssen wir die Regeln des Spiels ändern, bevor wir wieder in das Spiel einsteigen.“