Scholz in Washington : Nord Stream 2 sagt er nicht
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Bundeskanzler Scholz und US-Präsident Biden am Montag im Weißen Haus. Bild: Reuters
Beim Besuch im Weißen Haus versucht Olaf Scholz, Zweifel an der Einigkeit des Westens zu zerstreuen. Doch während Präsident Joe Biden das Aus für Nord Stream 2 im Falle eines russischen Angriffs ankündigt, nennt der Kanzler nicht einmal den Namen der Pipeline.
Olaf Scholz spricht bekanntlich fließend Englisch. Nach seinem Antrittsbesuch bei Präsident Joe Biden im Weißen Haus verließ sich der deutsche Kanzler in der gemeinsamen Begegnung mit der Presse aber vorsichtshalber zunächst auf seine Muttersprache. Es ging schließlich um Krieg und Frieden. Nur einmal wechselte er ins Englische – ganz bewusst, um sich direkt an die amerikanische Öffentlichkeit zu wenden. Er sage den amerikanischen Freunden: „Wir sind geeint. Wir handeln gemeinsam. Und wir werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen – gemeinsam.“
Scholz war vor seiner Reise von seinen Diplomaten bedeutet worden, dass bei seinem Besuch in Washington eine Klarstellung hilfreich, wenn nicht gar erforderlich sein würde. Nicht nur in der amerikanischen Öffentlichkeit, auch im Kongress war Berlins Verlässlichkeit als Bündnispartner in Zweifel gezogen worden. Deutschland sei in der gegenwärtigen Krise mit Russland „missing in action“, hieß es selbst unter demokratischen Senatoren. Der Kanzler war also vorbereitet und hatte die Wir-sind-geeint-Botschaft im Gepäck.
„Ich verspreche Ihnen, wir werden in der Lage sein, dafür zu sorgen“
Weiterhin standhaft weigerte Scholz sich aber das zu sagen, was Biden bekräftigt hatte: Wenn Russland in die Ukraine einmarschiere, werde es kein Nord Stream 2 mehr geben. „Wir werden dem ein Ende setzen“, hatte der Präsident gleich zu Beginn des gemeinsamen Auftritts gesagt. Auf die Nachfrage, wie Washington dies erreichen wolle, fügte er klipp und klar hinzu: „Ich verspreche Ihnen, wir werden in der Lage sein, dafür zu sorgen.“ Übersetzt hieß das: Amerika ist mächtig genug, die Gaspipeline mit harten Sanktionen zu verhindern.
Der Kanzler blieb scheinbar unbeeindruckt bei seiner Linie und nannte die Pipeline weiterhin nicht beim Namen. Er versuchte, einfach mit der Behauptung davon zu kommen, dass man mit „einer Stimme spreche“, was in diesem Punkt eben nicht der Fall war, jedenfalls nicht explizit. Scholz: „Wir haben klargestellt, wenn die Ukraine angegriffen wird, wird dies ernste Konsequenzen haben.“ Es folgten die bekannten Stichworte: „Ernste Sanktionen“ würden folgen. Man werde „schnell reagieren“, man sei „vorbereitet“. Russland werde einen „sehr hohen Preis“ zahlen. Sodann befand er: „Das ist eine klare Botschaft. Selbst Russland hat sie verstanden.“
Sollte heißen: Expliziter müsse er nicht werden, Putin sei sich über die Konsequenzen seines Handels bewusst. Dennoch hakte man nach. Scholz wurde im Folgenden gefragt, warum er nicht so formuliere wie der Präsident? Ob er sich hinter dem Begriff der „strategischen Ambiguität“ verstecke? Und ob er mit einer klaren Ansage nicht „verlorenes Vertrauen“ beim westlichen Bündnispartner zurückgewinnen könne? Bevor der Deutsche antworten konnte, sprang Biden seinem Gast zur Seite: „Es besteht kein Bedarf, Vertrauen zurückzugewinnen“, sagte der Präsident. Scholz habe „das vollkommene Vertrauen“ der Vereinigten Staaten. Deutschland sei einer der wichtigsten Partner. Es gebe keinerlei Zweifel an dieser Partnerschaft.
Deutlich wurde eines: Trotz des Unmuts über Berlin auf dem Kapitolshügel, den mancher im State Department und im Nationalen Sicherheitsrat teilt, war Biden daran gelegen, das Gemeinsame mit Scholz hervorzuheben: Beide hätten sich in der Vier-Augen-Unterredung vor Beginn der Gespräche der beiden Regierungsdelegationen gut verstanden, hob er hervor. Er freue sich auf viele weitere Unterhaltungen in der Zukunft. Und der Präsident nahm weiter Rücksicht darauf, dass der Kanzler sich nur verschlüsselt zu Nord Stream 2 äußern wollte. Sei es, weil er weiß, dass Scholz im Fall der Fälle an Bord ist. Sei es, weil Biden Scholz klargemacht hat, was er gegebenenfalls tun werde, ganz gleich, wie Berlin handle.
Beide hatten ein Interesse daran, ein möglichst geschlossenes Bild abzugeben. Scholz sagte im Anschluss an den Termin im Weißen Haus in einem Interview mit dem Sender CNN, bei dem er gänzlich ohne Übersetzer auskam: „Putin muss verstehen: Er wird nicht in der Lage sein, das transatlantische Bündnis zu spalten.“