„Die Ukraine gehört zur europäischen Familie“
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Scholz, Macron, Selenskyj, Draghi und Iohannis am Donnerstag in Kiew Bild: Helena Lea Manhartsberger
Bundeskanzler Scholz macht sich nach einem Gespräch mit Präsident Selenskyj für einen EU-Beitritt der Ukraine stark. Er verspricht, bald Panzer und Luftabwehrsysteme zu liefern.
Um kurz nach 16 Uhr Ortszeit treten die fünf europäischen Staats- und Regierungschefs am Donnerstag im Garten des Kiewer Marienpalasts vor die Kameras. Zweieinhalb Stunden später als geplant, doch dafür haben Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der italienische Ministerpräsident Mario Draghi und Rumäniens Präsident Klaus Johannis gute Nachrichten für Gastgeber Wolodymyr Selenskyj mitgebracht. Deutschland, Frankreich, Italien und Rumänien werden sich im Europäischen Rat dafür aussprechen, dass die Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten zur Europäischen Union bekommt. Das gleiche gelte für das Nachbarland Moldau. Außerdem versprach Scholz, bald Panzer und Luftabwehrsysteme nach Kiew zu liefern. „Die Ukraine soll leben. Slawa Ukraini!“, sagt er.
In der Ukraine ist das Vertrauen in die Deutschen wegen der ausbleibenden Lieferungen von schweren Waffen stark angekratzt. Auch Frankreich und Italien stehen in der Kritik. Vor allem Macrons Telefonate mit Putin und die Aussage, dass Russland nicht gedemütigt werden dürfe, stoßen bei vielen Ukrainern auf Unverständnis. Zudem gelten Scholz und Macron als Skeptiker eines Kandidatenstatus für die Ukraine. Sie wollen ihn nicht ohne weitere Bedingungen zugestehen. Macron sprach deshalb auch von einem Fahrplan, der für die Ukraine ausgearbeitet werden müsse. Scholz forderte, dass die Regeln für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eingehalten werden müssen, und nannte im Zusammenhang mit Beitrittsverhandlungen auch die Balkanstaaten.
Mit Blick auf Friedensverhandlungen betonte Macron, dass die Ukraine allein entscheide, wann sie an den Verhandlungstisch zurückkehre. „Die Ukraine diktiert die Bedingungen für den Frieden.“ Er kündigte die Lieferung von sechs weiteren CAESAR-Artilleriesystemen an. Zwölf hat die Ukraine schon erhalten. „Wir schreiten zusammen zum Sieg“, sagte Macron. Auch Scholz sprach von der Lieferung schwerer Waffen, darunter das IRIS-T Flugabwehrsystem und der Gepard-Panzer. Auch das Cobra-Radarsystem werde Deutschland liefern. „Wir haben eine Staatstradition gebrochen“, sagte der Kanzler. Und betonte: „Die Ukraine gehört zur europäischen Familie.“
Mit dem Sonderzug nach Kiew gefahren
Der ukrainische Präsident Selenskyj zeigte sich zufrieden. „Es ist ein Signal der Vereinigung“, sagte er. „Wir haben uns vollkommen verstanden.“ Er sei sich sicher, dass Deutschland und der Bundeskanzler die Ukraine unterstützten. „Wir können den Aggressor besiegen.“ Selenskyj sei froh, dass der Aufenthalt der Präsidenten in der Ukraine mit einem Besuch in Irpin begonnen habe, sagte er. „Sie haben mit eigenen Augen gesehen, was die russischen Besatzer getan haben.“
Scholz, Macron und Draghi waren am Donnerstagmorgen mit einem Sonderzug aus der polnischen Stadt Rzeszów am Kiewer Hauptbahnhof angekommen. Kurz nach ihrer Ankunft ertönte fast im ganzen Land Luftalarm. Nach fast 50 Minuten war er in Kiew vorüber und die drei fuhren nach Irpin. Der Kiewer Vorort war während der Belagerung durch russische Truppen im März stark zerstört worden. Nach dem Rückzug der Soldaten waren dort knapp 300 tote Zivilisten gefunden worden; einige wiesen Spuren von Folter auf. „Irpin ist wie Butscha längst ein Symbol für die unvorstellbare Grausamkeit des russischen Kriegs geworden, für sinnlose Gewalt. Die brutale Zerstörung in dieser Stadt ist ein Mahnmal – dieser Krieg muss zu Ende gehen“, schrieb Scholz auf Twitter. In Irpin schloss sich Johannis der Gruppe an.