Populisten in Österreich : Mit Zöpfen und Hakennasen
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Die FPÖ-Politiker Strache und Vilimsky im Februar auf einer Pressekonferenz in Wien. Bild: dpa
Österreichs Rechtspopulisten wollen gegen einen ORF-Moderator vorgehen. Sein „Vergehen“: Fragen an den FPÖ-Spitzenkandidaten für die Europawahl über rassistische Hetzer in ihren Reihen.
Der österreichische öffentlich-rechtliche Rundfunk ORF ist offensichtlich von der FPÖ zu einem der Hauptthemen im Wahlkampf ausersehen worden – als Feindbild und als Motivation für Anhänger der rechten Partei, an der Europawahl teilzunehmen. Der damit verbundene Schlachtenlärm ruft besorgte Fragen hervor, wie weit die journalistische Unabhängigkeit im ORF gesichert ist. Die Fragen richten sich an die FPÖ, aber letztlich an die Mitte-rechts-Regierung in Wien unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Am Donnerstag wurde ein Werbefilm mit dem FPÖ-Vorsitzenden, Vizekanzler Heinz-Christian Strache, sowie dem Generalsekretär und Spitzenkandidaten der FPÖ für die Europawahl, Harald Vilimsky, ins Internet gestellt. Die Botschaft lautet: Wenn FPÖ-Anhänger nicht an der Wahl teilnehmen möchten, sei das nur ein Anlass zur Party für die rot-grüne „Refugees Welcome“-Fraktion. Und als deren Sprachrohr tritt eine Reporterin namens „Arminia Wolf“ auf.
Jedem Österreicher ist klar, dass damit auf den Moderator der zentralen abendlichen Nachrichtensendung ZIB2 angespielt wird, Armin Wolf. Der ist schon seit langem eine Art Lieblingsfeind der FPÖ. Parteichef Strache hatte vor einem Jahr in einem Posting den ORF als Ort beschimpft, „an dem Lügen zu Nachrichten werden“, und das mit dem Konterfei Wolfs illustriert. Am Ende musste sich Strache für den Vorwurf der Lüge entschuldigen und zahlte eine Entschädigung. Der entstandene Wirbel war es ihm wohl wert. Jetzt ist Vilimsky dran. Er forderte am Donnerstag, der ORF solle Wolf „vor die Tür setzen“.
Ein öffentlicher Trennstrich
Anlass ist eines jener Interviews, mit denen Wolf sich journalistisch einen Namen gemacht hat. Am Dienstag hatte die FPÖ ihre Europawahlkampagne eröffnet. Überschattet wurde das Ereignis durch die Berichterstattung über ein rassistisches „Rattengedicht“ eines FPÖ-Lokalpolitikers aus Braunau, das sich gegen Zuwanderer richtete. Strache zog öffentlich einen Trennstrich zu dem Mann. Abends war Vilimsky Gast bei ZIB2, und erwartungsgemäß fragte Moderator Wolf ausgiebig nach der Abgrenzung der FPÖ zum rechtsextremen Rand, nicht nach ihren Wahlkampfslogans. Da ging es zunächst um das „Rattengedicht“, dann aber auch um ein Plakat des Jugendverbands der FPÖ in der Steiermark.
Das Bild zeigt ein junges Pärchen in heimischer Tracht, sie blond mit Zöpfen, auch er heiter und frisch. Umringt werden die beiden von finsteren Schemen mit Hakennasen und scheelem Blick. Bärte, gehäkelte Mützen und zwei Minarette sollen sie als Muslime kenntlich machen. „Steiermark, berufen für das Schöne, nicht für Asylantenströme“, lautet der Text. Diese Darstellung erinnert an die verzerrende Karikierung von Juden im „Stürmer“, dem Hetzblatt des Nationalsozialismus. Wolf konfrontierte Vilimsky in der Sendung mit einem solchen Bild aus dem „Stürmer“ und hielt das FPÖ-Wahlplakat daneben. Daraufhin redete der FPÖ-Mann sich in Rage und flocht ein, das könne „nicht ohne Folgen bleiben“. Gemeint war nicht das Plakat der Parteijugend, zu dessen Verteidigung ihm lediglich einfiel, dass es schon seit dem vergangenen Jahr weithin unbeanstandet auf deren Internetseite zu sehen sei. Gemeint war, dass Wolf ihm jetzt mit dem „Stürmer“-Vergleich kam. Welche Folgen gemeint sind, erläuterte Vilimsky so: „Ich sehe keine andere Konsequenz, als dass Armin Wolf abgezogen wird.“
Der FPÖ-Generalsekretär sah in der Nebeneinanderstellung von FPÖ-Jugend-Plakat und „Stürmer“ eine Verharmlosung der Judenverfolgung. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, sah das freilich anders. Er sagte, das Plakat sei „eindeutig rassistisch“; wohin das Herabwürdigen von Menschengruppen führe, zeige die Geschichte. Empört äußerte sich auch der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Ümit Vural. Die politische Opposition ging vor allem auf die Drohungen und Forderungen aus der FPÖ ein – der von ihr entsandte ORF-Stiftungsrat Norbert Steger unterstützte Vilimsky und nannte das Interview „pervers“.
Der Generalsekretär der sozialdemokratischen SPÖ, Thomas Drozda, sagte im Parlament: „Ich möchte keine Zustände wie in Ungarn, wo die Regierung vorgibt, was berichtet werden darf.“ Im Nationalrat in Wien ging es diese Woche zufällig um die Frage, ob die ORF-Gebühren abgeschafft werden sollen. Das ist eine Forderung der FPÖ, die den öffentlichen Rundfunk lieber aus dem Staatsbudget finanzieren möchte. Der ÖVP-Vorsitzende, Bundeskanzler Sebastian Kurz, hatte zuletzt wiederholt rechtsextremistische Entgleisungen bei der FPÖ kritisiert. In diesem Fall schien man den Ball eigentlich flach halten zu wollen. Doch am Ende gab Kurz’ Kanzleramtsminister Gernot Blümel doch eine Mitteilung heraus: „Die Politik hat sich nicht in Beschäftigungsverhältnisse von Journalisten einzumischen, völlig unabhängig davon, wie Fragestellungen oder Interviewführungen bewertet werden.“