Umfragestärke der FPÖ : Ein Gespenst geht um in Österreich
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Herbert Kickl, Parteichef der rechten FPÖ, während des 34. Ordentlichen Bundesparteitags der FPÖ Bild: dpa
Die rechte FPÖ ist in Umfragen ganz vorn. Parteichef Kickl will österreichischer Kanzler werden. Doch Bundespräsident Van der Bellen schließt das implizit aus.
Am Donnerstag haben der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Demission angeboten. Aber ehe jemand in Aufregung verfällt: Das war ein Pro-forma-Akt, einer Tradition geschuldet, dass die Regierung dem Staatsoberhaupt zu Beginn von dessen Amtszeit ihren Rücktritt anbietet. Van der Bellen ist zwar schon seit sechs Jahren im Amt, wurde aber im Herbst wiedergewählt und am Donnerstag zu seiner zweiten Amtszeit „angelobt“, wie es in Österreich heißt. Danach hörte er sich die rituelle Unterwerfungsgeste hinter verschlossener Türe an, um dann vor den Kameras mitzuteilen, dass er „dieses Angebot dankend zur Kenntnis“ nehme, aber nicht annehme.
Man könnte das Ritual als ein fernes republikanisches Echo des spanischen Hofzeremoniells ansehen, das einst genau hier, in der Hofburg, vorgeschrieben war. Es ist aber nicht ohne Substanz. Denn der Bundespräsident hat in Österreich Befugnisse, die eine machtpolitische Rolle spielen können, vor allem in Zeiten der Unruhe und unklarer Mehrheitsverhältnisse. Gerade Van der Bellen hat das in seiner ersten Amtszeit zeigen können oder müssen, die Stichworte lauten Ibiza-Affäre, Misstrauensvotum, Beamtenregierung. Der Präsident ist es, der Kanzler und Minister ernennt und entlässt. Gegen eine parlamentarische Mehrheit hätten solche Maßnahmen keinen Bestand, aber gegen den Präsidenten geht eben auch nichts. Genau das wird dieser Tage mit sehr konkretem Hintergrund diskutiert.
Die FPÖ profitiert von ihrer Oppositionsattitüde
Denn die Amtszeit der „türkis-grünen“ Regierung dauert zwar noch bis Herbst 2024. Aber die ÖVP und die Grünen stehen zumindest in Umfragen ziemlich schlecht da und scheinen von einer neuen Mehrheit weit entfernt zu sein. Die ÖVP leidet unter Affären und aus Ermittlungsakten getropften peinlichen Chats aus der Zeit von Sebastian Kurz, und beide bekommen die Folgen des Krisencocktails mit der Pandemie, dem russischen Krieg, der Teuerung und der Migration zu spüren.
Profiteur ist aber nicht etwa die Sozialdemokratie. Die SPÖ hat hauptsächlich mit sich selbst und ihrer latent offenen Führungsfrage zu tun. Sondern es ist die vom früheren Innenminister Herbert Kickl geführte rechte FPÖ. Sie stand in Umfragen zuletzt bei rund 28 Prozent, deutlich vor SPÖ und ÖVP.
Die FPÖ profitiert von ihrer fundamentalen Oppositionsattitüde gegen „das System“ in allen genannten Krisen. Kickl zeigt sich entsprechend selbstbewusst. Bei jeder Gelegenheit macht er seinen Anspruch deutlich, in einer künftigen Regierung Bundeskanzler zu sein. Und sei es wie jüngst in einer Pressekonferenz über die Pandemie unter dem Motto „Und die Schwurbler hatten doch recht“, womit er sich selbst meinte.
Regionalwahlen stehen vor der Tür
Doch da hat eben auch der Bundespräsident ein Wörtchen mitzureden, und das tat er diese Woche in einem ORF-Interview. Auf eine Frage nach Kickl entgegnete Van der Bellen, dass die Ernennung des Kanzlers in seiner „höchstpersönlichen Entscheidung“ liege. Und bei der sei er laut Amtseid nicht nur an die Verfassung, sondern auch an sein „bestes Wissen und Gewissen“ gebunden. Er werde „eine antieuropäische Partei . . . die den Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht verurteilt, nicht durch meine Maßnahmen noch zu befördern versuchen“.
Und zu Kickls Amtszeit als Innenminister, während der eine rechtswidrige Razzia im Verfassungsschutz stattfand, hatte er auch noch eine Anmerkung. Kurz gesagt: Van der Bellen schloss nicht ausdrücklich aus, dass er Kickl angeloben wird, aber implizit schon. Entsprechend war die Entrüstung bei der FPÖ, teils plump („autoritärer Akt“, hieß es in einer Mitteilung), teils sarkastisch („Aha. Sehr neutral. Sehr demokratisch“, schrieb Kickl).
Unter diesem Vorzeichen werden nun wichtige Regionalwahlen abgehalten. In Niederösterreich, mit 1,3 Millionen Wahlberechtigten das größte Bundesland, wird am Sonntag die Zusammensetzung im Landeshaus in St. Pölten neu bestimmt. Dass die ÖVP unter Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner in ihrer Hochburg die absolute Mehrheit verliert, scheint klar. Bei weniger als 40 Prozent droht aber auch der Verlust des Chefinnensessels. Die SPÖ hat nicht gänzlich ausgeschlossen, dass sie FPÖ-Landeschef Udo Landbauer zum Landeshauptmann machen würde. „Blau-Rot“ zu verhindern ist für die ÖVP jedenfalls das letzte Mobilisierungsmittel.