Blauhelme beobachten Morde : Dieses Video schockiert Österreich
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Dieser Screenshot zeigt einen Mann, der nach Schüssen von der Ladefläche eines Pickups gefallen ist. Bild: Youtube/Falter
Sie hätten die „Hunde“ warnen sollen: Ein kurzer Clip zeigt einen Hinterhalt am Golan. Zwei österreichische Blauhelme kommentieren das Blutbad. Ihre Kaltschnäuzigkeit wirft eine Frage auf.
„Einer ist schon heruntergefallen.“ – „Ein paar Tote sind’s schon.“ – Ein Krankenwagen? „Ha! Das hat keiner überlebt, Alter, das kannst du gleich abblasen.“ Dieser Art Sätze, gesprochen in österreichischer Mundart, begleiten ein Video aus dem Jahr 2012, in dem ein Hinterhalt auf dem Golan im syrischen Grenzgebiet nahe Israel zu sehen ist. Ein weißer Geländewagen mit Bewaffneten auf der Ladefläche wird heftig unter Feuer genommen, am Ende liegen nur mehr Tote um das Auto herum.
Österreichische Soldaten haben das Video aufgenommen, die damals als Teil der Blauhelm-Truppe UNDOF in dem Grenzgebiet eingesetzt waren. Fast vier Jahrzehnte lang hatte Österreich bereits Soldaten für diese Mission gestellt, die im Auftrag der Vereinten Nationen den Waffenstillstand zwischen Israel und Syrien überwachen soll. 2013 aber zog die Regierung in Wien die Kräfte überstürzt ab, ohne die übliche Frist zwischen Ankündigung und Abzug einzuhalten. Alt-Bundespräsident Heinz Fischer hat diesen von der damaligen rot-schwarzen Regierung beschlossenen Abzug später als schwerwiegendsten Fehler während seiner Amtszeit bezeichnet.
Der eigentliche Grund für den Rückzug?
Dass das Video, das am Freitag von der Wochenzeitung „Falter“ im Netz publiziert wurde, nun in Österreich heiß diskutiert wird, liegt nicht nur an den flapsigen Kommentaren aus dem Off. Es liegt vor allem daran, dass es dokumentiert, wie die Soldaten den Aufbau des Hinterhalts genau beobachten, den weißen Toyota dann an einem Kontrollposten durchwinken, ein paar Worte mit dem Fahrer wechselnd, ihn aber offenbar nicht warnend. Dann sagen sie den folgenden einseitigen Kampf und sein Ende vorher. „Normal musst das de Hund sagen“, sagt eine Stimme. Der Mann meint also, eigentlich hätte man „die Hunde“ warnen müssen, denn wenn einer überlebe, dann werde er sich rächen. „Wenn da aner überbleibt, kummt er umma und schießt uns ab.“ Ein anderer gibt – etwas kryptisch – zurück: „Hob i eh g’sogt.“ Und dann heißt es: „Jetzt geht‘s gleich los, wirst seh’n.“
Laut „Falter“ handelte es sich bei den Insassen des weißen Autos um neun syrische Geheimpolizisten und bei den Kämpfern im Hinterhalt um eine Schmugglerbande. Die linke Wiener Wochenzeitung hatte den Film nach eigenen Angaben durch einen anonymen Zuträger in einem braunen Umschlag zugespielt bekommen. Das Blatt folgerte, es handle sich um ein „Verbrechen“. Der Wiener Völkerrechtler Manfred Nowak stellte eine Anklage gegen die Blauhelme wegen Beihilfe zum Mord in den Raum.
Das Verteidigungsministerium in Wien, inzwischen nicht mehr „rot“, sondern durch den FPÖ-Politiker Mario Kunasek „blau“ geführt, teilte mit, es habe umgehend eine Untersuchungskommission eingerichtet. Ein Sprecher der UN-Friedenstruppen sprach von einem „verstörenden Video“, man werde „dieser Frage aktiv in Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden nachgehen“. In Wien wird auch darüber spekuliert, ob dieser Vorfall der eigentliche Grund für den Rückzug gewesen sei.
„Der Befehl lautete: nicht einmischen.“
Dass das der unmittelbare Grund gewesen sein soll, erscheint allerdings schon deshalb nicht plausibel, da die Regierung den Rückzug mehr als ein halbes Jahr später beschloss – dann aber Hals über Kopf durchführte. Die damalige Regierung mit Kanzler Werner Faymann (SPÖ), Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) und Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) hatte offenbar Angst, dass man im Wahlkampf über gefallene Soldaten diskutieren müsste. Ein österreichischer Konvoi war Ende 2012 auf dem Weg nach Damaskus unter Beschuss geraten, vier Männer wurden verwundet. Oder sollte man einen Hinweis erhalten haben, dass der eine – der beobachtete – Hinterhalt etwas mit dem anderen – dem erlittenen – zu tun hatte? Norbert Darabos (SPÖ, der 2012 Verteidigungsminister war gab jetzt an, er habe von der ganzen Geschichte erst aus dem Teletext erfahren.
Mit dem Dilemma, in dem die Blauhelme auf dem Golan steckten und immer noch stecken, und das durch den Film, nüchtern betrachtet, dokumentiert wird, hatte der Rückzug aber durchaus zu tun. Denn das Mandat der Beobachter war spätestens seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs von vorn bis hinten unzulänglich geworden. Schwere Waffen und gepanzerte Fahrzeuge durften sie nicht einmal haben, geschweige denn aktiv zum Schutz von irgendwem einsetzen. Das Beobachten bezieht sich nur auf die Waffenruhe zwischen Israel und Syrien. Der Abzug war deshalb der Sache nach durchaus zu rechtfertigen, nur nicht die Art und Weise, in der er erfolgte.
Ein früherer Blauhelm-Soldat beschrieb das nun zur Verteidigung seiner in der Kritik stehenden Kameraden in den „Salzburger Nachrichten“. Sie hätten sich zu hundert Prozent korrekt gemäß ihrem Auftrag verhalten. „Der Befehl lautete: nicht einmischen.“ Wenn sie die Syrer gewarnt hätten, wären sie selbst „auf der Abschussliste der Bewaffneten gestanden“. „Die Österreicher hatten keine kugelsicheren Westen und jeder 30 Schuss Munition. Wir waren nicht dort, um zu kämpfen, und auch nicht, um uns in den innersyrischen Konflikt einzumischen.“ Die Sprüche auf dem Video seien „derbe und nicht korrekt, aber man muss bedenken, die Sprüche stammen von jungen Burschen, die unter Stress stehen.“