Österreichisches Revirement : Neue Köpfe für die Zeit nach Kurz
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Nehammer (l.) und Schallenberg im Oktober im Parlament in Wien Bild: AFP
Unter Karl Nehammer stellt die ÖVP ihre Regierungsmannschaft neu auf. Nun haben auch die von Sebastian Kurz entmachteten Provinzfürsten wieder einiges mitzureden.
Eine „Persönlichkeit von Format und Erfahrung“ sei Karl Nehammer, er werde für Stabilität in der Regierung sorgen. So oder ähnlich klang am Freitag das Echo aus den Landesgliederungen der österreichischen Christdemokraten, nachdem der bisherige Innenminister vom ÖVP-Parteivorstand als neuer Vorsitzender und künftiger Bundeskanzler auf den Thron gehoben worden war. Natürlich wäre auch nicht zu erwarten gewesen, dass man den neuen Obmann als Erstes kritisiert, aber dass die Regionalfürsten der ÖVP zufrieden sind, lässt sich denken. Denn bei dem Revirement hatten sie ein gewichtiges Wörtchen mitgeredet. Allen voran die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.
Sebastian Kurz hatte am Vortag bei seiner überraschend erfolgten Rücktrittserklärung angekündigt, dass er seine Nachfolge ordnen und begleiten wolle. Und tatsächlich ist Nehammer in den vergangenen Jahren ein enger Mitstreiter und Gefolgsmann von Kurz gewesen, ob seit 2018 als Generalsekretär oder seit 2020 als Innenminister. Aber den bestimmenden Einfluss hat Kurz nicht mehr, auch und gerade nicht mehr in der eigenen Partei.
Die „Fürsten der Finsternis“ sind zurück
Dass die Landeshauptleute das Heft in die Hand genommen haben, ließ sich schon an den Umständen erahnen, unter denen Kurz Anfang Oktober aus dem Kanzleramt weichen musste. Da hatte Kurz sich noch den Parteivorsitz zurückbehalten und versuchte, das Regierungsfahrzeug vom Rücksitz aus zu lenken. Der unglückliche Alexander Schallenberg, von Kurz aus dem Außenministerium ins Kanzleramt gesetzt, musste mit gebundenen Händen auf dem Fahrersitz Platz nehmen. Kurz war in den Wochen darauf kaum öffentlich zu sehen, aber man vernahm aus den Bundesländern, dass er dort versuchte, die Partei auf Linie zu halten, auf seiner Linie.
Doch ist das dort offenbar kühler aufgenommen worden als gedacht. Der Grund liegt auf der Hand: Unter dem Eindruck von Affären und Chats ist die Popularität von Kurz stark eingebrochen und damit auch die der Partei. Sie liegt in Umfragen wieder auf dem Niveau von rund 20 Prozent, auf dem Kurz sie vor viereinhalb Jahren übernommen hatte. Und damit ist auch das Durchgriffsrecht des Vorsitzenden, das Kurz sich damals im Statut hatte festschreiben lassen, Makulatur. Die Entmachtung der „Fürsten der Finsternis“, wie manch verzweifelter ÖVP-Obmann die einflussreichen Länderchefs wahrgenommen hatte, ist Geschichte.
Das spiegelt sich nun auch in der Umgestaltung der ÖVP-Regierungsmannschaft, die Nehammer am Freitag vorstellte. Sein Nachfolger im Innenministerium wird Gerhard Karner, ein Mann aus dem niederösterreichischen ÖVP-Machtapparat. Der hat das Haus personell geprägt seit den Tagen von Ernst Strasser, unter Kanzler Wolfgang Schüssel einst Innenminister. Versuche, diesen Filz zu zerreißen, durch den FPÖ-Mann Herbert Kickl putschartig, durch den „Beamtenminister“ Wolfgang Peschorn mit feinerer Klinge, blieben Episode.
Aber auch die anderen Provinzen kommen zum Zuge: Der steirische Rechtswissenschaftler Martin Polaschek, Rektor der Universität Graz, wird Bildungsminister anstelle von Heinz Faßmann, der sich bei der Verteidigung offener Schulen in der Pandemie müde gestritten hat. Der Vorarlberger Magnus Brunner wird Finanzminister anstelle des Kurz-Vertrauten Gernot Blümel. Bis dato war er Staatssekretär im Infrastrukturministerium.