Macrons neue Nuklearstrategie : Ein europäischer Atomschirm?
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Emmanuel Macron hat das neue U-Boot „Suffren“ direkt persönlich inspiziert. Bild: dpa
Könnten französische Nuklearwaffen bald auch Deutschland schützen? Nach eigenem Bekunden will Macron den gaullistischen Unabhängigkeitsgedanken hinter der Atomstreitmacht weiterentwickeln – im europäischen Sinne.
Nach dem Brexit ist Frankreich die einzige Atommacht unter den EU-Mitgliedern. Deshalb wird der Grundsatzrede zur nuklearen Abschreckungsdoktrin, die Emmanuel Macron an diesem Freitag vor den Absolventen der Ecole de Guerre (Kriegsschule) in Paris halten will, besondere Aufmerksamkeit zuteil. Dem französischen Präsidenten fällt als oberstem Armeechef mit Zugang zu den Nuklearcodes die Aufgabe zu, die Kernwaffenstrategie weiterzuentwickeln. Den gaullistischen Unabhängigkeitsgedanken, der hinter der „Force de Frappe“ steht, will Macron nach eigenem Bekunden im europäischen Sinne weiterentwickeln. Sollte am Ende des Ausbaus der europäischen Verteidigungskapazitäten auch ein europäischer Nuklearschirm stehen?
Über diese Frage soll auch bei der Münchner Sicherheitskonferenz nächste Woche diskutiert werden, bei der Emmanuel Macron erstmals seine Teilnahme zugesagt hat. Aufmerksam hat man in Paris das Ergebnis einer Umfrage der Körber-Stiftung studiert, wonach sich fast doppelt so viele Deutsche lieber durch französische und britische (40 Prozent) als durch amerikanische Atomwaffen (22 Prozent) schützen lassen wollen.
Macrons europäischem Gestaltungswillen sind allerdings Grenzen gesetzt. Nuklearwaffen sind eng an das Amt des Präsidenten gebunden. Er allein darf über ihren Einsatz entscheiden. Eine nukleare Teilhabe der europäischen Verbündeten ist deshalb so gut wie ausgeschlossen. Sechzig Jahre nach dem ersten französischen Atomwaffentest am 13. Februar 1960 im heutigen Algerien fühlt sich die Armeeführung noch immer zutiefst an die von Charles de Gaulle festgelegten Grundsätze gebunden.
Außenminister Jean-Yves Le Drian stellte eine Fortentwicklung des europäischen Bekenntnisses in Aussicht, das Präsident François Hollande im Februar 2015 in Istres ablegte. Hollande sagte damals: „Die Definition unserer vitalen Interessen darf sich nicht auf die nationale Ebene beschränken.“ Er fuhr fort: „Insofern kann niemand glauben, dass ein Angriff, der das Überleben Europas gefährden könnte, keine Konsequenzen hat.“
Dialog über nukleare Abschreckung
Verteidigungsfachleute erwarten, dass Macron auf den Vertrag von Lissabon Bezug nimmt, der in Artikel 42 eine Sicherheitsgarantie enthält, die auch Nuklearwaffen umfassen könnte. Auch das Versprechen des Aachener Vertrages, dass sich Frankreich und Deutschland „einander jede in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung“ gewähren, könnte auf Nuklearwaffen ausgedehnt werden. Aus dem Elysée-Palast hieß es, Macron werde interessierten EU-Partnern einen „strategischen Dialog“ über nukleare Abschreckung anbieten. Als Vorbild gilt die von Macron außerhalb der EU-Strukturen ins Leben gerufene Europäische Interventionsinitiative. In Paris wird hervorgehoben, dass es nicht darum gehe, in Konkurrenz zur Nato zu treten.
Allerdings gibt es in der Allianz schon ein Forum, das der strategischen Abstimmung dient: die Nukleare Planungsgruppe. Daran nehmen alle Nato-Staaten teil – außer Frankreich. Die Gruppe kommt regelmäßig auf ranghoher Beamtenebene zusammen und bei jedem Treffen der Verteidigungsminister. Der Nato-Oberbefehlshaber für Europa berichtet dann über nukleare Übungen und die Einsatzbereitschaft der Nuklearstreitkräfte.