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Nordmazedonien : ​„Hält Europa nicht Wort, könnte das radikale Kräfte stärken“

Der Ministerpräsident von Nordmazedonien Zoran Zaev Bild: AP

Nordmazedoniens Ministerpräsident Zoran Zaev dringt auf den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der EU. Andernfalls sei das ein negatives Zeichen für die Region – und seine Regierung in Gefahr.

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          Herr Ministerpräsident, Ihrem Land wurde der Beginn von EU-Beitrittsgesprächen versprochen, wenn es seinen Staatsnamen ändert und so den alten Streit mit Griechenland überwindet. Sie haben geliefert, aber ob Beitrittsgespräche anstehen, ist ungewiss. Fühlen Sie sich betrogen?

          Michael Martens
          Korrespondent für südosteuropäische Länder mit Sitz in Wien.

          Die EU bleibt ein Ansporn für uns. Wir wollen uns verbessern, als Staat und als Gesellschaft. Es stimmt aber auch, dass die EU, Kanzlerin Angela Merkel und viele andere europäische Regierungschefs uns eine Zusage gegeben haben für den Fall, dass wir den Streit mit Griechenland überwinden und unser Land im Innern reformieren. Uns wurde gesagt: „Liefert ihr, liefern wir.“ Wir sind nun seit 2005, seit 15 Jahren also, ein EU-Beitrittskandidat. Die ungelöste Namensfrage mit Griechenland war in all diesen Jahren ein großes Hindernis. Im Februar 2018 war ich in Berlin, und die Botschaft von Angela Merkel war eine große Ermutigung für uns alle: Wenn ihr die Namensfrage löst und die richtigen Reformen beginnt, wird auch Europa seine Zusagen halten. An unserem Unabhängigkeitstag hat Frau Merkel uns hier in Skopje besucht und diese Botschaft wiederholt.

          Die EU-Kommission spricht sich klar für den Beginn von Beitrittsgesprächen aus, aber einige Mitgliedsstaaten sehen das offenbar anders.

          In Frankreich und den Niederlanden gibt es interne Debatten über die Erweiterungspolitik. Dafür habe ich Verständnis. Aber eine Reform der EU und die Fortsetzung der Erweiterungspolitik sollten parallele, nicht sukzessive Prozesse sein. Ich habe mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron gesprochen. Sie haben uns ermutigt und positive Botschaften für Nordmazedonien gehabt. Wenn man die Debatten in Paris und Den Haag verfolgt, scheint es allerdings so, als sei die Stimmung gegenüber Albanien nicht so positiv.

          Was hat Ihnen Emmanuel Macron gesagt, als Sie ihn unlängst in Berlin trafen?

          Dass er sich vor der Europawahl öffentlich nicht zu unserem Fall äußern werde, unserem Wunsch aber positiv gegenübersehe.

          Macron will aber erst eine Reform der EU, bevor über neue Erweiterungen nachgedacht werden kann.

          Ich bin da natürlich subjektiv, aber ich denke, wir haben einen positiven Beitrag zur Debatte über die Zukunft Europas geleistet. Wir haben durch das Abkommen mit Athen bewiesen, dass Diplomatie und die Attraktivität der EU immer noch zur Lösung politischer Konflikte beitragen können. Und die Stärkung eines multiethnischen Gesellschaftsmodells oder unser offener Dialog mit der Opposition sind doch Themen, die nicht nur uns betreffen. Zudem bedeutet es ja nicht, dass wir morgen oder übermorgen Mitglied werden, wenn wir jetzt Beitrittsgespräche aufnehmen. Das dauert viele Jahre.

          Mit welcher Verhandlungsdauer rechnen Sie?

          Alles, was wir wollen, ist ein Datum für die Öffnung der ersten Kapitel der Beitrittsverhandlungen. Ein Mitglied werden wir erst werden, wenn die EU und wir bereit dazu sind - das hängt von unseren Leistungen und den Beschlüssen der EU-Staaten ab, die diesen Prozess jederzeit steuern können. Aber jetzt gilt: Wir haben unsere Verfassung und den Namen unseres Staates geändert. Wenn sogar das ignoriert wird, wie wird sich das auf die Motivation anderer Politiker in der Region auswirken, Konflikte zu lösen – etwa zwischen Serbien und dem Kosovo?

          Griechenland wählt im Juli ein neues Parlament. Regierungschef wird künftig wohl Kyriakos Mitsotakis sein, der als Oppositionsführer gegen eine Lösung des „Namensstreits“ agitierte. Wird das Ihre Lage erschweren?

          Ich denke nicht. Es ist Sache der Griechen, ihre Regierung zu wählen, aber die Lösung der Namensfrage ist für unsere Staaten mit vielen Vorteilen verbunden – und die gelten unabhängig davon, wer regiert. Weder in Athen noch bei uns sind Politiker daran interessiert, gelöste Probleme neu zu öffnen. Das hat Mitsotakis auch öffentlich gesagt.

          Fürchten Sie, dass Athen unter Mitsotakis den Beginn von Beitrittsgesprächen verhindern könnte?

          Teile unseres Abkommens mit Griechenland müssen noch implementiert werden, so die Ausgabe von Reisepässen und anderen Dokumenten mit unserem neuen Staatsnamen oder die Überarbeitung von Geschichtsbüchern. Das kann jederzeit zu Komplikationen in unseren Beitrittsgesprächen führen.

          Mitsotakis hat Sie bisher über seine Vertraute, die Europaabgeordnete Maria Spyrakis, über seine Ansichten auf dem Laufenden gehalten. Haben Sie weiterhin einen Gesprächskanal zu ihm?

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