1500 Kilometer weit geflogen : Nordkorea provoziert mit Marschflugkörpern
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Die Academy of National Defense Science führt in Nordkorea Marschflugkörpertests durch, wie in dieser Kombination undatierter Fotos der nordkoreanischen Zentralen Nachrichtenagentur KCNA. Bild: Reuters
Kim Jong-un hatte bereits im Januar verkündet, sein Land habe Marschflugkörper mittlerer Reichweite „mit den wirkmächtigsten Sprengköpfen der Welt“ entwickelt. Japan zeigt sich „extrem beunruhigt“.
Nordkorea hat nach eigenen Angaben einen „neu entwickelten“ Typ von Marschflugkörpern getestet, der möglicherweise als Atomwaffe eingesetzt werden kann. Pjöngjang sprach am Montag von einer „strategischen Waffe“. Im nordkoreanischen Sprachgebrauch ist damit ein nuklear bestückbares Waffensystem gemeint. Die Marschflugkörper seien am Samstag und Sonntag getestet worden, teilte die Akademie für Verteidigungswissenschaften in Pjöngjang mit. Sie seien 1500 Kilometer weit geflogen, mehr als zwei Stunden in der Luft gewesen und hätten mit ihrer Flugbahn über nordkoreanischem Territorium die Zahl acht und ein Oval nachempfunden, bevor sie Ziele im Meer getroffen hätten. Mit der genannten Reichweite könnten die Marschflugkörper Südkorea und Japan erreichen.
Die Starts wurde nach Angaben der Akademie nicht von Machthaber Kim Jong-un beaufsichtigt. Dessen Anwesenheit hätte den Waffentests eine noch größere politische Bedeutung gegeben. Die amtliche südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap sprach von einer „Provokation auf niedrigem Niveau“. Im Vergleich zu Tests ballistischer Raketen werden Marschflugkörper oft als weniger starke Provokation betrachtet, weil sie nicht explizit durch Nordkorea-Resolutionen der Vereinten Nationen verboten sind.
Eine atomar bestückbare Waffe wäre aber ebenfalls ein Verstoß gegen entsprechende Beschlüsse, denn diese verbieten Nordkorea die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen. Nach Einschätzung von Fachleute ist unklar, ob das Land in der Lage ist, Atomsprengköpfe so weit zu verkleinern, dass sie von Marschflugkörpern transportiert werden könnten. Der Abrüstungsexperte Jeffrey Lewis vom James Martin Center for Nonproliferation Studies sieht in den jüngsten Waffentests eine „ernstzunehmende Fähigkeit Nordkoreas“, Raketenabwehrsysteme zu überwinden, wie er auf Twitter schrieb.
Keine Bewegung mehr bei Verhandlungen
Südkorea bestätigte die Tests am Montag und teilte mit: „Unser Militär führt eine detaillierte Analyse in enger Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten durch.“ Das amerikanische Indo-Pazifik-Kommando äußerte, „diese Aktivität zeigt, dass Nordkorea sich weiterhin auf die Entwicklung seines Militärprogramms fokussiert und eine Bedrohung für seine Nachbarn und die internationale Gemeinschaft darstellt“. Japan zeigte sich „extrem beunruhigt“.
Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hatte bereits auf einem Parteikongress im Januar verkündet, dass sein Land Marschflugkörper mittlerer Reichweite „mit den wirkmächtigsten Sprengköpfen der Welt“ entwickelt habe. In der Rede hatte er darauf hingewiesen, dass auch Südkorea neue Marschflugkörper und ballistische Raketen entwickle. Damit zeichnet sich ein Rüstungswettrennen zwischen den beiden Koreas ab. Am Montag bezeichnete Pjöngjang die Marschflugkörper zudem als Antwort auf die „militärischen Schritte der feindlichen Kräfte“.
Dies könnte sich auf die jüngsten gemeinsamen Übungen der amerikanischen und südkoreanischen Streitkräfte vom August beziehen. Die Schwester des Machthabers, Kim Yo-jong, hatte seinerzeit eine starke Reaktion angekündigt. Der Zeitpunkt der Tests dürfte zudem mit Gesprächen Südkoreas, Japans und Amerikas über eine Wiederbelebung der Abrüstungsverhandlungen mit Nordkorea zusammenhängen.
Die zuständigen Diplomaten trafen am Montag in Tokio zusammen. Der amerikanische Nordkorea-Beauftragte Sung Kim hat erklärt, er sei „an jedem Ort jeder Zeit“ bereit zu Gesprächen mit Nordkorea. Pjöngjang hat Kontaktversuche jedoch bisher unbeantwortet gelassen. Seit dem gescheiterten Gipfel von Kim Jong-un und dem damaligen amerikanischen Präsidenten Donald Trump hat es keine Bewegung in den Verhandlungen mehr gegeben. KCNA meldete am Montag, dass die getesteten Marschflugkörper innerhalb der vergangenen zwei Jahre entwickelt worden seien.