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Verhandlungen mit London : Gibt es einen Durchbruch im Brexit-Streit?

Ein Lastwagen wird im Februar 2022 in den Belfaster Docks kontrolliert (Symbolbild) Bild: dpa

Im Streit um das Nordirland-Protokoll sei Brüssel Großbritannien entgegengekommen, heißt es in einem britischen Medienbericht. Die EU dementiert, und London fürchtet die Reaktion im eigenen Land.

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          Nach einem Bericht der britischen Zeitung „The Times“ ist in den Verhandlungen mit Brüssel eine Lösung für den Konflikt um das sogenannte Nordirland-Protokoll gefunden worden. Die Zeitung berichtete am Mittwoch unter Bezug auf Regierungsquellen, dass der Durchbruch in den Post-Brexit-Verhandlungen nur wegen innenpolitischer Rücksichtnahme noch nicht bekannt gegeben worden sei. Es werde versucht, die nordirische Partei DUP und Erz-Brexiteers in London ins Boot zu holen. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte dem hingegen am Mittwoch in Brüssel, es gebe noch keine endgültige Einigung. Die Gespräche bezeichnete sie allerdings als „sehr konstruktiv“. Über Teilaspekte könne sie nichts sagen, bevor die Verhandlungen nicht abgeschlossen seien.

          Jochen Buchsteiner
          Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

          Nach Informationen der „Times“ soll der stellvertretende EU-Kommissionspräsident Maros Sefcovic bereit sein, auf Kontrollen für Güter zu verzichten, die aus Großbritannien kommen und nur für Nordirland bestimmt sind. Gleichzeitig sei Brüssel den Briten bei der umstrittenen Rolle des Europäischen Gerichtshofs entgegengekommen. Der skizzierten Lösung zufolge würde der EuGH erst als Klärungsinstanz ins Spiel kommen, wenn ein Streitfall von nordirischen Gerichten überwiesen würde. Bisher wurde in Brüssel darauf gedrungen, dass die Kommission Streitfälle sofort vor den EuGH bringen kann.

          Rote und grüne Korridore

          Die Lösung des Konflikts um die Warenkontrollen an der neuen Handelsgrenze zwischen Großbritannien und Nordirland fußt nach „Times“-Informationen auf dem britischen Konzept der „roten und grünen Korridore“. Danach würden Waren, die über Nordirland hinaus nach Irland und damit in die EU gingen (roter Kanal), weiterhin den vereinbarten Kontrollen unterliegen, während Waren, die nachweislich nur für den Konsum in Nordirland bestimmt sind (grüner Kanal), durchgewinkt würden. Dafür würde ein weiteres Abkommen ausgehandelt, in dem sich Großbritannien unter anderem bereit erklärt, bei Exporten von Tieren und Tierprodukten die Standards der EU beizubehalten.

          In der britischen Regierung wird laut „Times“ von einem „vollständigen Stimmungswandel“ in den Gesprächen berichtet. Beide Seiten seien sich inzwischen einig, dass an dem Protokoll, so wie er im Brexit-Vertrag fixiert wurde, nicht festgehalten werden könne. Erstmals hätten beide Seiten versucht, so weit wie möglich in Richtung Kompromiss zu gehen. Das „alte Punkte-Machen“ sei vorbei. Der Durchbruch sei auf britischer Seite von einem Diplomaten-Team unter Führung des Nationalen Sicherheitsberaters Tim Barrow erzielt wurden.

          Der Konflikt um die Umsetzung des Nordirland-Protokolls hat zu einer politischen Krise in Nordirland geführt. Aus Protest gegen das Protokoll blockiert die DUP seit Monaten die Regierungsbildung in Belfast. Die Unionisten wollen ihre Weigerung erst aufgeben, wenn das Protokoll abgeschafft oder maßgeblich geändert wird. In London wird offenbar befürchtet, dass der gefundene Kompromiss die DUP nicht überzeugt. Insbesondere die Rolle, die dem EuGH als letzter Entscheidungsinstanz gelassen werden soll, drohe auf Widerstand zu stoßen. Unklar sei auch, wie führende Brexiteers, unter ihnen der frühere Premierminister Boris Johnson, auf den Kompromiss reagieren würden.

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