Niederländisches Königshaus : Ende einer Kutschfahrt
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Kurator Paul Rem öffnet im Museum im Palast Het Loo die Goldene Kutsche, auf der Malereien auf dem Holz mit dem Titel „Huldigung der Kolonien“ zu sehen sind (Archivbild) Bild: dpa
Der niederländische König gesteht ein, dass die Darstellung schwarzer Menschen, die unterwürfig der niederländischen Jungfrau huldigen, Menschen verletzen kann. Deshalb wird das Gefährt erst einmal eingemottet.
Die Goldenen Kutsche des niederländischen Königshauses, die im Zentrum einer Debatte über den Umgang mit der kolonialen Vergangenheit steht, wird einstweilen aus dem Verkehr gezogen. „Die Goldenen Kutsche wird erst wieder fahren, wenn die Niederlande dafür bereit sind“, sagte König Willem-Alexander am Donnerstag in einer Videobotschaft, „und das ist jetzt nicht der Fall“. Das Gefährt kommt nun in den königlichen Stall.
Der König hatte es zuletzt 2015 verwendet, zur feierlichen Eröffnung des Parlaments am Prinzentag. Anschließend wurde die 1898 gebaute Kutsche sechs Jahre lang aufwendig restauriert; seit Juni vorigen Jahres wird sie im Amsterdam Museum im Rahmen einer historisch-kritischen Ausstellung gezeigt. Da die Ausstellung im kommenden Monat zu Ende geht und das Museum danach selbst komplett umgebaut wird, musste der König über das Schicksal der Kutsche entscheiden. Auf ihr ist allegorisch dargestellt, wie die Niederlande den von ihnen eroberten Kolonien die Zivilisation bringen.
Willem-Alexander verband seine Entscheidung mit grundsätzlichen Ausführungen zum historischen Gedenken. Man könne die Vergangenheit nicht umschreiben. „Historische Symbole und Gegenstände einfach zu verbieten ist definitiv keine Lösung“, sagte er und wies damit Forderungen zurück, das anstößige Seitenpanel zu entfernen. Zugleich gestand er ein, dass die Darstellung – schwarze Menschen huldigen unterwürfig der niederländischen Jungfrau – Menschen verletzen könne. „Solange Menschen in den Niederlanden leben, die täglich den Schmerz der Diskriminierung spüren, wird die Vergangenheit noch ihre Schatten auf unsere Zeit werfen.“ Nur wenn man gemeinsam den „Weg der Versöhnung“ gehe, könne die Kutsche am Prinzentag wieder fahren.
Über die Darstellung auf der Kutsche wird seit 2011 kontrovers diskutiert. Seinerzeit hatten zwei Aktivisten Abgeordnete für einen Protest gegen die „Verherrlichung von Kolonialismus und Sklaverei“ gewonnen. Einer der beiden Aktivisten forderte gar, die Kutsche zu verbrennen, seine Mitstreiterin schlug vor, das Panel auf der linken Seitenwand zu entfernen. Damit erweckten sie den Zorn von Royalisten, etlichen Historikern und Politikern, die sich gegen eine „Zensur unserer Geschichte“ wehrten.
„Die Geschichte umzuschreiben, indem man die Goldene Kutsche verunstaltet, da bin ich nicht dafür“, sagte etwa Ministerpräsident Mark Rutte. Die Kontroverse beruhigte sich, während die Kutsche restauriert wurde; König Willem-Alexander verwendete am Prinzentag ein anderes Gefährt aus seinem Besitz. Doch geriet sie im vorigen Sommer im Zuge der „Black Lives Matter“-Proteste nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd in Amerika wieder in den Fokus. Binnen weniger Tage zeichneten 8000 Menschen eine Online-Petition, in der gefordert wurde, die Kutsche dauerhaft ins Museum zu verfrachten.
Zunächst wurde sie dann im Rahmen der sehenswerten Amsterdamer Ausstellung in einem Glaskasten gezeigt. Willem-Alexander sagte bei Eröffnung der Ausstellung, sie stehe dort, wo sie hingehöre – was einige so verstanden, als habe er sich schon festgelegt. Mit der Entscheidung von Donnerstag hält sich der König dagegen die Option offen, die Kutsche doch eines Tages wieder zu verwenden. Das dürfte der diplomatischste Weg sein, den Konflikt zu schlichten, der Teil einer größeren Debatte über die koloniale Vergangenheit und die Sklaverei ist.