Streit über Taiwan : Wie Pekings Dollar-Diplomatie funktioniert
- -Aktualisiert am
Präsidentensohn Laureano Ortega Murillo und Ma Zhaoxu bei der Unterzeichnung des Abkommens Bild: AP
Nicaragua bricht mit Taiwan und wendet sich China zu – und bald könnte ein weiteres Land folgen. Washington muss mit ansehen, wie Peking seinen Einfluss im ehemaligen amerikanischen „Hinterhof“ vergrößert.
Nicaragua hat am Freitag die Beziehungen zur Regierung in Taipeh abgebrochen und offiziell Beziehungen zur Volksrepublik China aufgenommen. Damit verringert sich die Zahl der Staaten, die Taiwan (unter dem Namen Republik China) als unabhängiges Land anerkennen, weltweit auf 14. In Europa gehört dazu nur der Vatikan. Das chinesische Staatsfernsehen berichtete, beide Länder hätten in der Hafenstadt Tianjin ein Kommuniqué unterzeichnet.
Aufgrund der strikten Corona-Auflagen in der Hauptstadt Peking finden derzeit fast alle diplomatischen Begegnungen in Tianjin statt. Für Nicaragua unterschrieb der Sohn von Präsident Daniel Ortega, Laureano Ortega Murillo, das Abkommen. Nach Angaben des Staatsfernsehens sagte er, Nicaragua erkenne an, dass Taiwan „ein unveräußerlicher Teil des chinesischen Territoriums ist“. Der stellvertretende chinesische Außenminister Ma Zhaoxu sagte dem zentralamerikanischen Land Hilfe bei der Eindämmung des Coronavirus sowie beim Bau von Infrastruktur zu.
Der Schritt ist auch ein Rückschlag für Amerika, das sich für eine stärkere internationale Präsenz Taiwans einsetzt. Unter der früheren Trump-Regierung wurde ein Gesetz verabschiedet, das Strafmaßnahmen gegen Staaten ermöglicht, die ihre diplomatischen Beziehungen von Taiwan zur Volksrepublik China wechseln. Der Sprecher des amerikanischen Außenministeriums sagte: „Taiwans Beziehungen zu diplomatischen Partnern in der westlichen Hemisphäre gehen mit bedeutenden wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Vorteilen für die Bürger dieser Länder einher.“ Nicaraguas Bevölkerung sei dieser Vorteile „beraubt worden“. Er rief alle Demokratien auf, „ihre Kontakte zu Taiwan auszubauen“.
Seit der Amtsübernahme der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen im Jahr 2016 hat China seine Scheckbuch-Diplomatie verstärkt, um Taiwan seine wenigen verbliebenen Partner abzuwerben. Nicaragua ist das achte Land, das seither die Seiten gewechselt hat. Für Taiwan, das 1971 seinen Sitz bei den Vereinten Nationen verloren hat, sind diese Beziehungen wichtig, um sich in internationalen Gremien Gehör zu verschaffen. Zugleich gelang es Tsai aber, die inoffiziellen Kontakte zu den Vereinigten Staaten und europäischen Ländern auszubauen. Die Präsidentin sagte am Donnerstag, „je erfolgreicher Taiwans Demokratie und je stärker die Unterstützung Taiwans durch die internationale Gemeinschaft“ sei, „desto größer ist der Druck aus dem autoritären Lager“.
Immer mehr Länder wechseln die Seiten
Schon in den vergangenen Jahren haben Länder in der Region die Seiten gewechselt: Panama, El Salvador und die Dominikanische Republik. Taiwan sprach in letzterem Fall damals von einer „Dollardiplomatie“ Chinas. Tatsächlich hat Peking den Staaten finanziell mehr zu bieten als Taipeh. El Salvadors umstrittener Präsident Nayib Bukele, der sich in seinem Twitter-Profil neuerdings „CEO of El Salvador“ nennt, freute sich erst im Mai über die Unterzeichnung eines Abkommens mit China, dem nach seiner Aussage 500 Millionen Dollar Investitionen folgen werden, angeblich ohne Bedingungen.
Auch der autoritäre Amtskollege Ortega dürfte Geld in die Arme Pekings treiben. Als er 1985 zum ersten Mal Präsident wurde, kappte er schon einmal die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. Fünf Jahre später machte seine Nachfolgerin Violeta Chamorro die Entscheidung rückgängig. Zurück an der Macht seit Mitte der Nullerjahre beließ Ortega es dann aber beim Status quo – bis jetzt. Nicht erst wegen des undemokratischen Wahlprozesses vor etwa einem Monat und wegen inhaftierter Oppositionspolitiker machen die Vereinigten Staaten Druck auf Ortegas Umfeld. Der Bruch mit Taiwan vollzog sich denn auch am gleichen Tag, als das State Department Sanktionen gegen Ortegas Berater Néstor Moncada Lau verkündete.
Schon bald könnte ein weiterer Staat mit Taiwan brechen: Honduras’ künftige Präsidentin Xiomara Castro hatte dies im Wahlkampf angekündigt – und aus den finanziellen Interessen keinen Hehl gemacht. Nach der Wahl versprach die Linkspolitikerin zwar, es bleibe alles beim Alten, aber man wird erst nach ihrer Amtsübernahme im Januar sehen, was sie wirklich vorhat. Für die Vereinigten Staaten ist Zentralamerika bedeutend, weil viele Migranten von dort in den Norden strömen. Derzeit aber muss Washington mitansehen, wie Peking seinen Einfluss im einstigen „Hinterhof“ der Vereinigten Staaten vergrößert.