Neuwahl im März? : Italien droht eine Hängepartie
- -Aktualisiert am
Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi (r) übergibt seinem sozialdemokratischen Parteikollegen Paolo Gentiloni Mitte Dezember des vergangenen Jahres in Rom die Amtsgeschäfte. Bild: dpa
Bald wird in Italien gewählt. Stabile politische Verhältnisse sollte man davon allerdings nicht erwarten. Auch ein alter Bekannter mischt immer noch kräftig mit und stilisiert sich als Widerstand.
Als er vor mehr als einem Jahr die Amtsgeschäfte von Matteo Renzi übernahm, ahnte kaum jemand, dass er einmal der beliebteste Politiker Italiens werden könnte: Paolo Gentiloni wurde neuer Ministerpräsident Italiens, weil sein Amtsvorgänger und Parteikollege Renzi sein politisches Schicksal an ein umstrittenes Verfassungsreferendum geknüpft hatte – das zu seinen Ungunsten ausging. Renzi trat daraufhin zurück, und Gentiloni stand plötzlich an der Spitze der Regierung.
Obwohl er nicht direkt vom Volk gewählt wurde, führt er derzeit mit 45 Prozent Zustimmung die Liste der beliebtesten Politiker an, vor dem Chef der Fünf-Sterne-Bewegung Luigi di Maio und Pietro Grasso, dem Präsidenten des italienischen Senats, der sich mit einer eigenen Liste vom sozialdemokratischen Partito Democratico abgespalten hat. Das ist ungewöhnlich, denn es gibt kaum einen italienischen Politiker, der weniger populistisch auftritt als der 63 Jahre alte Gentiloni. Und der Populismus erlebt in Italien gerade wieder eine Hochphase.
Die stärkste Einzelpartei ist in den Umfragen derzeit die Fünf-Sterne-Bewegung des als Komiker bekannt gewordenen Beppe Grillo. Sie liegt mit etwa 26 Prozent einen Prozentpunkt vor dem Partito Democratico. Und die Wahlen sind nahe. Die aktuelle Legislaturperiode endet regulär im Frühjahr 2018, spätestens im Mai müssten die Italiener ein neues Parlament bestimmen.
Erwartet wird aber, dass Staatspräsident Sergio Mattarella das Parlament schon diese Woche auflöst, nämlich nach der Jahresabschluss-Pressekonferenz Gentilonis, die an diesem Donnerstag um 11 Uhr beginnt, oder am Freitag. Möglich wurde dieser Schritt erst kurz vor Weihnachten. Da billigte der italienische Senat den Haushalt für das kommende Jahr und räumte damit die letzte Hürde auf dem Weg zu Neuwahlen aus dem Weg.
Aus dem Archiv : Mai 2017: Comeback für Renzi?
Ein Mitte-Rechts-Bündnis?
Gentiloni müsste dann aber wohl nicht zurücktreten, sondern würde, mit dem Einverständnis des Staatspräsidenten, im Amt bleiben, bis Italien eine neue Regierung hat. Und das könnte noch eine Weile dauern – selbst wenn bereits am 4. März gewählt werden würde, wovon italienische Medien wie die Zeitung „Il sole 24 ore“ ausgehen. Denn es würde wohl keine politische Kraft allein die notwendige Mehrheit für eine Regierungsbildung zusammenbekommen.
Rechnerisch möglich wäre wahrscheinlich eine Mitte-Rechts-Koalition aus Forza Italia, Lega Nord und den rechtsorientierten Fratelli d’Italia. Zusammen könnten diese Parteien auf mehr als 35 Prozent kommen. Doch noch streitet Lega-Nord-Chef Matteo Salvini mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Vorsitzenden der Forza Italia Silvio Berlusconi darüber, wer ein solche Bündnis anführen sollte. Beide Parteien liegen derzeit etwa bei 14 Prozent.
Berlusconi selbst darf aufgrund einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung derzeit zwar nicht für politische Ämter kandidieren. Doch der 81 Jahre alte Politiker ist weit davon entfernt, sich aus der italienischen Politik zu verabschieden. Er ist immer noch einflussreich und versucht gerade, seine Partei als einziges Gegenmittel gegen die „Gefahr“ der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung zu positionieren.
Dabei wirbt der Multimillionär, dessen Amtszeit vor allem auch wegen seiner sogenannten Bunga-Bunga-Sexparties in Erinnerung blieb, auch mit Steuererleichterungen. Dabei war es gerade er, der Italien als Ministerpräsident an den Rand eines Staatsbankrotts geführt und damit auch dem Aufstieg der Fünf-Sterne-Bewegung den Boden bereitet hat.
Renzi ist nicht beliebt
Für die Protestpartei wird der erst 31 Jahre alte Luigi Di Maio um Stimmen werben. Seine Partei gilt als euro- und europakritisch und macht seit Jahren gegen das politische Establishment mobil. Di Maio vertritt diese Positionen allerdings auf weniger polternde Art als Parteigründer Grillo. Doch genau das, was der Bewegung unter den Italienern so großen Zulauf verschafft hat, könnte nach den Wahlen zum Problem werden: Die „Fünf Sterne“ haben Koalitionen ausgeschlossen und werden sich deshalb wohl in der Opposition wiederfinden.
Dieses Schicksal wird die Partei Gentilonis, der Partito Democratico, für sich verhindern wollen – und deshalb versuchen, das Vertrauen, das sich der Ministerpräsident bei den Italienern erworben hat, bestmöglich zu nutzen. Doch Gentiloni gilt nicht als großer Wahlkämpfer, und so wird sein Parteikollege Matteo Renzi in den kommenden Wochen wohl zum Mann fürs Grobe werden. Und nebenbei versuchen, noch einmal selbst in ein bedeutsames Amt zu kommen. Doch der 42 Jahre alte Parteichef ist bei den Italienern nicht sonderlich beliebt – und in den Umfragen befindet sich seine Partei im freien Fall.
Retten könnte sich der Partito Democratico womöglich in ein Bündnis mit den Mitte-Rechts-Kräften. Doch das ließe sich den eigenen Wählern nur schwer vermitteln – und würde dem Vorwurf der Fünf-Sterne-Bewegung, die „Systemparteien“ seien mehr an ihrem eigenen Wohl als an dem des Landes interessiert, Vorschub leisten.
Sollte Staatspräsident Mattarella das Parlament am Donnerstag tatsächlich auflösen, drohte Italien also eine Hängepartie. Denn auch wenn Renzi, Berlusconi und Co. dann noch maximal 70 Tage Zeit haben, um für ihre Inhalte zu werben – eine klare Machtoption wird nach der Wahl wohl keine Partei haben. Damit dürfte Paolo Genitiloni noch länger bleiben, was er nur durch Zufall wurde: Ministerpräsident Italiens.