Italien-Kommentar : Riskantes Experiment
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Italiens Präsident Sergio Mattarella (links) unterhält sich mit Politikern der Fünf-Sterne-Bewegung. Bild: EPA
Vielleicht bleibt das Unheil ja aus. Doch wer sich an die Krise erinnert, in die Griechenland die EU stürzte, den kann es nicht kalt lassen, dass Italien eine Politik der Verantwortungslosigkeit und der Illusion betreibt.
Nach der Präsidentenwahl in Frankreich wurde mit Seufzern der Erleichterung Entwarnung gegeben: Gebannt schien die Gefahr, dass die Welle des Populismus immer weiter in die Zentren politischer Macht vordringen werde. Man konnte die Reaktion verstehen: Hätte die rechtsextreme Marine Le Pen in Frankreich gewonnen, wäre in Europa kein Stein mehr auf dem anderen geblieben.
Aber Verdruss über politische und sonstige Eliten, Kritik an der Einwanderungspolitik und allgemeine Unzufriedenheit haben sich nicht in Luft aufgelöst: Die AfD stellt die größte Oppositionsfraktion im Bundestag; in Wien regiert die FPÖ mit – und Italien steht vor einem dramatischen Experiment, einer Regierung von Links- und Rechtspopulisten, aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega. Dass es dahin kommen konnte, ist nicht nur das ultimative Verdikt der Italiener über die Politik der vergangenen Jahre, sondern auch ein Menetekel für die EU. Muss die sich jetzt für die nächste Euro-Krise wappnen?
Jedenfalls wächst die Nervosität an den Märkten, schrillen in Brüssel und anderswo die Alarmglocken. Das Zusammengehen zweier eurokritischer Parteien, die erst einmal den Austritt aus der Währungsunion beiseitegeschoben haben, ansonsten aber mit neuen Schulden Italien auf Wachstumskurs bringen wollen – das hat anderswo schon nicht geklappt und in Italien auch nicht –, verheißt nichts Gutes. Neue Auseinandersetzungen drohen auf vielen Feldern der Politik, auch dem der Außenpolitik.
Dass die Regierung von einem politisch unerfahrenen Juristen geführt werden soll, ist die Pointe der Regierungsbildung schlechthin: Es waren die Fünf Sterne und die Lega, welche sogenannte Technokraten-Regierungen verächtlich machten. Nun machen sie selbst einen Technokraten zum Regierungschef. In dieser Wahl kommen der Gegensatz und die machtpolitische Rivalität der Führer der beiden Parteien zum Ausdruck. Mit welcher Autorität statten sie diesen Mann wohl aus?
Vielleicht bleibt das große Unheil ja aus, und die Kassandrarufe erweisen sich als verfrüht. Doch wer sich an die Krise erinnert, in die Griechenland Währungsunion und EU stürzte, der wird es nicht auf die leichte Schulter nehmen, wenn das drittgrößte Euro-Land eine Politik der Verantwortungslosigkeit und der Illusion betreibt. Italien ist europäisches Gründungsland. Daraus erwachsen Verantwortung und Verpflichtungen, auch gegenüber den Partnern.