„Islamischer Staat“ : Neue Kämpfe um kurdisches IS-Gefängnis
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Wieder festgesetzte IS-Anhänger Bild: EPA
Dutzende IS-Extremisten hatten sich offenbar in entlegenen Teilen der Anlage verborgen. Auch in der Stadt flammen die Gefechte wieder auf. Weiter ist unklar, wie viele IS-Anhänger entkommen konnten.
Die Erfolgsmeldungen aus Hassakeh waren verfrüht. Am Mittwochnachmittag hatte ein Sprecher der kurdisch geführten „Syrian Democratic Forces“ (SDF) erklärt, man habe das Gefängnis in der nordostsyrischen Stadt Hassakeh, das über Tage im Zentrum heftiger Kämpfe mit Extremisten des „Islamischen Staates“ (IS) stand, vollständig unter Kontrolle. Am Donnerstagmorgen meldeten die SDF, dutzende IS-Extremisten hätten sich in einem entlegenen Teil der Anlage, einer früheren Gewerbeschule, verborgen gehabt.
Unabhängige Beobachter im Kampfgebiet berichteten außerdem von heftigen Feuergefechten in der Umgebung des Gefängnisses, die am Vormittag ausgebrochen seien. Offensichtlich hatten sich weitere IS-Kämpfer in den umliegenden Stadtteilen versteckt. Laut SDF-Angaben wurden mehr als 3500 der IS-Extremisten, die in dem Gefängnis einsaßen, wieder festgesetzt. Unabhängig lassen sich Angaben aus der Konfliktzone nur schwer überprüfen. Die straff geführte kurdische Autonomieverwaltung, deren Kader Gefolgsleute von PKK-Anführer Abdullah Öcalan sind, wacht außerdem streng über ihre Informationshoheit. Die Zahl der getöteten und entkommenen IS-Extremisten blieb auch am Donnerstag unklar.
Hilfsorganisation Care stellt Arbeit ein
Die Gewalteskalation in Hassakeh und die zunehmende Bedrohung durch den IS verschärft derweil die humanitäre Lage in Nordostsyrien. In Hassakeh, Heimat zahlloser Binnenvertriebener, mussten laut Angaben der UN Zehntausende Menschen in andere Stadtteile fliehen. Die Hilfsorganisation Care teilte am Donnerstag mit, sie sei gezwungen, ihre Arbeit in Nordostsyrien zeitweilig einzustellen, weil die Sicherheit der eigenen Mitarbeiter und der örtlichen Partner derzeit nicht gewährleistet werden könne. Millionen Menschen litten dort unter einer immensen Wirtschaftskrise, der Corona-Pandemie, der Winterkälte und Schneestürmen, hieß es in einer Erklärung. „Ihnen fehlt es an medizinischer Versorgung, Trinkwasser sowie Lebensmitteln.“
Außerdem herrscht Sorge über das Schicksal hunderter minderjähriger IS Anhänger oder Kinder von IS-Extremisten, die in dem Gefängnis in Hassakeh einsaßen. Nach Angaben der SDF missbrauchtem die Dschihadisten Minderjährige als menschliche Schutzschilde. Eine Mitarbeiterin der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ berichtete wärend der Rückeroberungskampagne, sie habe Sprachnachrichten eines 17 Jahre alten Australiers erhalten, der demnach sagte, er sei selbst verletzt worden und habe gesehen, wie andere getötet wurden. Andere, die sich als 18 Jahre alte Männer aus Kanada und den Vereinigten Staaten zu erkennen gaben, bettelten um Rettung, Wasser, Medizin und Lebensmittel. Es ist indes ebenfalls unklar, wie viele der Minderjährigen an früheren Kampfhandlungen teilgenommen hatten. Ebenso, ob alle Minderjährigen Geiseln waren, oder ob sich manche an den aktuellen Kämpfen beteiligten.
Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef sind fast 850 minderjährige in Nordostsyrien inhaftiert, einige davon erst 12 Jahre alt, die meisten in dem umkämpften Gefängnis in Hassakeh. Die große Mehrheit stammt demnach aus Syrien und dem Irak, die übrigen gehören 20 anderen Nationalitäten an. „Keinem von ihnen wurde ein Verbrechen nach nationalem oder internationalem Recht zur Last gelegt. Die Kinder ausländischer Staatsangehöriger haben wenig bis gar keine Unterstützung von ihren Heimatländern erhalten“, kritisierte Unicef-Generaldirektorin Henriaetta Fore.