Anschläge in Israel : Netanjahu kündigt „starke" Reaktion an
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Israelis zünden Kerzen zum Gedenken an die sieben Opfer am Ort des Anschlags auf Besucher einer Synagoge in der israelischen Siedlung Neve Yaakov. Bild: dpa
Zwei Terroranschläge in Ostjerusalem und zwei weitere Angriffsversuche im Westjordanland sorgen die Weltgemeinschaft. Als erste Reaktion will Israel den Familien von Terroristen die Sozialhilfe streichen.
Nach zwei Angriffen in Ostjerusalem und zwei weiteren Angriffsversuch im Westjordanland kündigt der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine „starke" Antwort an. Die Reaktion werde stark, schnell und präzise ausfallen, sagte Netanjahu am Samstagabend vor einer Dringlichkeitssitzung des Sicherheitskabinetts, die sich mit der Lage nach den Terrorangriffen befassen wollte. „Wir streben keine Eskalation an, aber wir sind auf jedes Szenario vorbereitet." Das Sicherheitskabinett kündigte nach seiner Sitzung an, „Familien von Terroristen, die Terrorismus unterstützen“, die Sozialhilfe zu streichen. Die Regierung werde zudem über einen Gesetzentwurf beraten, der vorsehe, den betreffenden Angehörigen ihre israelischen Ausweise zu entziehen.
In der Nacht zu Sonntag plante ein bewaffneter Mann nach Angaben der israelischen Armee, die Siedlung Kedumim westlich der Stadt Nablus anzugreifen, Wachleute hätten den „Terroristen“ aber zuvor entdeckt und „neutralisiert“. Unklar war zunächst, ob sie den Angreifer getötet haben. Es war der vierte Vorfall in nicht einmal anderthalb Tagen.
Polizei nimmt mindestens 42 Verdächtige fest
Am Samstagabend hatte laut israelischem Militär ein Mann in einem Restaurant in der Nähe der Stadt Jericho im Westjordanland einen Schuss ab. Medien berichteten, der Täter habe anschließend Probleme mit seiner Waffe gehabt. Das verhinderte womöglich weitere Schüsse – und Opfer. Aufnahmen einer Überwachungskamera sollen zeigen, dass der Angreifer mit einem Sturmgewehr bewaffnet gewesen sei. Streitkräfte fahnden derzeit nach dem Mann. Verletzt wurde demnach niemand.
Anders bei einem Angriff am Vormittag. Ein gerade einmal 13 Jahre alter Palästinenser verletzte Vater und Sohn in einer israelischen Siedlung im Stadtteil Silwan in Ost-Jerusalem mit Schüssen. Die Polizei sprach von einem „Terror-Angriff“. Bewaffnete Passanten hätten schließlich auf den Jungen geschossen, der anschließend medizinisch versorgt wurde.
Am Abend zuvor hatte bereits ein Anschlag auf Besucher einer Synagoge mit sieben Toten für Entsetzen gesorgt. Nach ersten Erkenntnissen handelte es sich bei dem Attentäter vom Freitag in der israelischen Siedlung Neve Yaakov um einen 21 Jahre alten Mann aus Ost-Jerusalem. Er wurde auf der Flucht erschossen. Die Polizei nahm mindestens 42 Verdächtige – Verwandte und Nachbarn des Attentäters – fest. Was ihnen zur Last gelegt wird, war zunächst nicht bekannt.
Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ostjerusalem erobert. Dort leben heute mehr als 600.000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und viele weitere internationale Politiker verurteilten den Angriff. „Deutschland steht an Israels Seite“, hieß es von Scholz. „Mein Herz bricht bei der Nachricht von den schrecklichen Terroranschlägen am Schabbat in Jerusalem“, sagte Israels Präsident Izchak Herzog.
Auch Saudi-Arabien, das mit Israel keine diplomatischen Beziehungen unterhält, teilte mit, „jegliche Angriffe auf Zivilisten“ zu verurteilen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres forderte beide Seiten zu „äußerster Zurückhaltung" auf. Viele Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland reagierten dagegen mit Freudenfeiern auf den Terroranschlag vom Freitag. Auch die radikalen Palästinenser-Gruppen Hamas und Islamischer Dschihad sowie die von Iran unterstützte Hisbollah-Miliz im Libanon begrüßten den Anschlag. Die palästinensische Führung ließ in einer Erklärung verlauten, Israel sei „voll verantwortlich für die gefährliche Eskalation“. In diesem Jahr seien bereits 31 Palästinenser getötet worden. Die Menschen, darunter mehrere Jugendliche, starben in Zusammenhang mit Militäreinsätzen und eigenen Anschlägen.
Erst am Donnerstag waren bei einer Razzia israelischer Soldaten im Westjordanland neun Menschen getötet worden, darunter Mitglieder der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad. Es war einer der tödlichsten Militäreinsätze seit Jahren in dem palästinensischen Autonomiegebiet.
Der Regierungschef Benjamin Netanjahu forderte seine Landsleute abermals dazu auf, das Gesetz nicht selbst in die Hand zu nehmen, sondern die Armee, die Regierung und die Sicherheitskräfte ihre Arbeit machen zu lassen. Der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben-Gvir hatte zuvor verlangt, Bürger „besser zu bewaffnen, um solche Anschläge zu vermeiden“. Ben-Gvir gilt als politischer Brandstifter und wurde bereits wegen rassistischer Hetze und Unterstützung einer jüdischen Terrororganisation verurteilt.
Gegen die neue ultrarechte Regierung und ihre geplante Reformen im Justizsystem protestierten am Samstagabend Medienberichten zufolge wieder Zehntausende Menschen im ganzen Land. Demonstranten zündeten dabei zum Gedenken an die Terror-Opfer Kerzen an. Zudem hielten sie eine Schweigeminute für die Getöteten. Einige Beobachter warnen angesichts der geplanten Reform vor einem Ende der israelischen Demokratie. Einige Demonstranten kritisierten auch den Umgang des Landes mit den Palästinensern. „Mit Besatzung gibt es keine Demokratie“, war etwa auf einem Schild zu lesen.