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Neapels Müllkrise : Im Notstand ist alles einfacher

Hindernislauf durch die Gassen von Neapels Staddtteil Sanita

Hindernislauf durch die Gassen von Neapels Staddtteil Sanita Bild: AP

Seit Jahren schwelt die Müll-Krise in Neapel, und so mancher wähnt sich „in einer kafkaesken Geschichte“. Der Notstand spielt den Strippenziehern in die Hände: Wer fragt schon nach Ausschreibungen für die Müllentsorgung, wenn sich die Abfälle auf den Bürgersteigen türmen?

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          Während der Straßenschlachten um eine provisorische Mülldeponie am Stadtrand von Neapel zeigte sich einer der Hauptverantwortlichen für die Krise zumindest nach außen hin gelassen: Es sei ihm leider nicht gelungen, die Zeitpläne für die verschiedenen Elemente des Müllbeseitigungsplanes von Neapel und Kampanien einzuhalten, damit gleichzeitig zur Schließung der Mülldeponien auch die Mülltrennung funktionierte und die Verbrennungsanlage in Betrieb genommen werden konnte. Mit diesen Worten ist für Antonio Bassolino, lange Zeit Bürgermeister von Neapel und seit dem Jahr 2000 Präsident der Region Kampanien, die Vergangenheit abgetan.

          Tobias Piller
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Dann beschreibt er mit dröhnender Stimme, was vom nächsten Tag an alles getan werden müsse. Dass diese Verhaltensweise von Bassolino Methode hat, ist der linken Intellektuellenzeitung „Il Riformista“ schon vor Monaten aufgefallen: „Bassolino tritt auf, als wäre er ein schwedischer Tourist“, höhnte die Zeitung, noch bevor sich nun schon zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren die Müllberge in Neapel türmten.

          „In einer kafkaesken Geschichte“

          Doch Bassolino hat die Müllgeschichte von Neapel von Anfang an mitgestaltet. 1992 gab es erste Gesetze „zur Überwindung der akuten Notlage“. 1993 wurde Bassolino Bürgermeister. Ein Jahr später wurde dann offiziell der Notstand in der Müllfrage ausgerufen und der erste von bisher neun Sonderkommissaren der Regierung ernannt.

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          Neapels Müllkrise : Im Notstand ist alles einfacher

          Zwar konnte man während der neunziger Jahre den Müll zunächst als eine der vielen Notlagen Neapels ansehen, der einzigen Metropole in Süditalien, in der mit der umliegenden Region ein Drittel der Bevölkerung dieses Landesteils lebt und die geprägt ist vom Nebeneinander glanzvoller Geschichte mit Elendsvierteln, Kriminalität und Anarchie. Doch wenn die Müllfrage wirklich so nebensächlich gewesen wäre, hätten sich nicht schon die Politiker in Rom regelmäßig in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und Symposien mit der Frage befasst.

          Bei einer solchen Veranstaltung vor zwei Jahren zog der ehemalige Regionalpräsident Antonio Rastrelli, von 1995 bis 1999 der einzige Politiker des rechten Lagers mit politischer Verantwortung in der Region, eine niederschmetternde Bilanz: „Ich habe das Gefühl, in einer kafkaesken Geschichte zu stecken, in der alle Orientierungspunkte verlorengegangen sind und wo alle Lösungsversuche wieder zum Anfang von Kafkas Denken zurückführen.“ Wer will, kann bereits in den achtziger Jahren besorgte Anfragen aus Brüssel zu Neapels Müllproblem finden, die dann elegant beschwichtigt wurden.

          Wieder läuft eine Ausschreibung

          Doch die Orientierungspunkte waren schon abhanden gekommen, als der rüstige Senior Rastrelli 1996 für drei Jahre die Rolle des außerordentlichen Notstandskommissars übernahm. Er bekam auch die Möglichkeit, die üblichen Prüfungsverfahren zur Umweltverträglichkeit für die Pläne einer Müllverbrennungsanlage auszusetzen. Die Grünen, lokale Bürgermeister und die Opposition protestierten. Das Projekt erwies sich daher schnell als eine Fata Morgana. Dabei war 1999 unter den Bewerbern für den Bau und Betrieb der Verbrennungsanlage das Konsortium ausgewählt worden, das nicht nur geringere Kosten bot, sondern auch eine Bauzeit von nur 300 Tagen versprach.

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