
Krawalle in Ägypten : Mursi verkürzt Berlin-Besuch auf wenige Stunden
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Vorrang hat die Heimatfront: Muhammad Mursi Bild: dpa
Ägyptens Präsident wird Deutschland angesichts der Krawalle im eigenen Land nur kurz besuchen. Seine für den Anschluss geplante Frankreich-Reise sagte er ganz ab. Die Lage ist explosiv.
Der ägyptische Präsident Muhammad Mursi hat seinen Deutschland-Besuch wegen der angespannten Lage im eigenen Land erheblich verkürzt. Mursi werde am Mittwoch nur für wenige Stunden nach Berlin kommen, um mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammenzutreffen, sagte ein Sprecher des Präsidialamtes in Kairo am Dienstag. Mursi sagte nach Angaben aus Paris seinen für Freitag geplanten Frankreich-Besuch komplett ab. In Ägypten waren bei Ausschreitungen in den vergangenen Tagen Dutzende Menschen ums Leben gekommen.
Angesichts der Krawalle warnte Ägyptens Militärführung die Opposition. Der Konflikt könne zum Staatskollaps führen, äußerte Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi am Dienstag. Nach der Zustimmung von Kabinett und Oberhaus ist die Armee vorübergehend mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet. Soldaten haben das Recht, Zivilisten festzunehmen. Zudem wurde die Festnahme aller Mitglieder des „Schwarzen Blocks“ angeordnet. UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay sprach von einer überzogenen Gewalt gegen Protestierer.
Bei seinem Deutschland-Besuch sollte Mursi ursprünglich am Donnerstag mit Bundespräsident Joachim Gauck zusammentreffen. Menschenrechtsorganisationen haben ihren Protest gegen den Besuch angekündigt. Bei der Berliner Polizei sind vier Kundgebungen rund um das Regierungsviertel angemeldet.
In Ägypten waren in der Nacht zum Dienstag trotz einer nächtlichen Ausgangssperre für drei Städte Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die Regierung zu protestieren. Für den Abend und die kommenden Tage waren weitere Demonstrationen geplant. Die an den Brennpunkten in Port Said, Ismailia und Suez stationierten Militärs griffen zunächst nicht ein, um den für 30 Tage verhängten Ausnahmezustand durchzusetzen. Auch in Kairo gab es am Dienstag wieder Krawalle.
Die neuen Befugnisse für die Soldaten sollen bis zur Parlamentswahl gelten, die im Frühjahr geplant ist. Al-Sisi wies darauf hin, dass dies auch ein Balanceakt sei. Die Soldaten müssten auf der einen Seite lebenswichtige Einrichtungen schützen, betonte der Minister mit Blick auf den Suez-Kanal. Auf der anderen Seite wollten sie die Konfrontation mit Ägyptern vermeiden, die ihr Demonstrationsrecht wahrnähmen. Deshalb sei es äußerst wichtig, dass die Proteste friedlich blieben.
Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, sagte, das Vorgehen der Polizei sei nicht nur illegal, sondern heize die explosive Lage weiter an. Zugleich forderte sie in Genf eine Untersuchung zur Gewaltwelle der vergangenen Tage. Nach UN-Angaben wurden dabei 53 Menschen getötet.
Das Online-Portal der Zeitung „Al-Ahram“ berichtete, dass die Regierung über Korrekturen an der erst im Dezember beschlossenen Verfassung nachdenkt. Das ist eine der Hauptforderungen der Mursi-Gegner. Die Verfassung gibt Islam-Gelehrten mehr Macht und wird heftig kritisiert. Nun wurde offenbar bei einem Gespräch Mursis mit verschiedenen politischen Gruppen am Montagabend ein Komitee gegründet, das dazu Vorschläge erarbeiten soll.
Zwei Jahre nach dem Sturz von Langzeitpräsident Husni Mubarak wird Mursi immer häufiger mit seinem Vorgänger verglichen. Denn der war jahrzehntelang vom Militär gestützt worden und hatte sich mit Notstandsgesetzen an der Macht gehalten.