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Terror in Israel : Krieg der Hügeljugend

Rechtsextreme Israelis protestieren vor dem Gericht in Lod, vor dem sich Ben-Uliel und sein Komplize verantworten müssen. Bild: AFP

Die Radikalisierung der Hügeljugend ist schon seit Jahren zu beobachten. Nun geht Israel gegen die jüdische Terrorzelle vor. Dabei kommen auch „besondere Verhörmethoden“ zum Einsatz – Kritiker sprechen von Folter.

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          In dem Königreich, das Amiram Ben-Uliel mit seinen Freunden errichten will, ist für Araber und Christen kein Platz. Ende Juli warf der 21 Jahre alte jüdische Religionsstudent einen Brandsatz in das Schlafzimmer der palästinensischen Familie Dawabscheh in dem Dorf Duma im Westjordanland: Der eineinhalb Jahre alte Sohn und seine Eltern wurden getötet, ihr vier Jahre alter Sohn schwer verletzt. Der Sohn wird noch immer in einem israelischen Krankenhaus behandelt.

          Hans-Christian Rößler
          Politischer Korrespondent für die Iberische Halbinsel und den Maghreb mit Sitz in Madrid.

          Fünf Monate dauerte es, bis die israelische Generalstaatsanwaltschaft Anklage wegen Mordes gegen Ben-Uliel und einen 17 Jahre alten Komplizen erhob, der ihn bei der Vorbereitung des Brandanschlags unterstützt haben soll. Beide hatten in der Nacht angeblich noch weitere Palästinenser ermorden wollen. Auf bis zu hundert Mitglieder schätzt der israelische Inlandsgeheimdienst Schinbeth die Gruppe radikaler Juden, die für ihre Umsturzpläne offenbar bereit sind, bis zum Äußersten zu gehen.

          Terror soll Staat Israel zum Einsturz bringen

          Angehörige und Anwälte warfen den Ermittlern vor, dass Ben-Uliel und sein Komplize erst unter Folter gestanden hätten. Zuvor hatten er und mehr als zwanzig weitere Verdächtige in ihren Vernehmungen, statt zu reden, nur gebetet oder wochenlang geschwiegen. Am Ende genehmigte der israelische Generalstaatsanwalt, der von einer Terrorgruppe spricht, dann „besondere Verhörmethoden“. Die israelische Zeitung „Haaretz“ riet am Montag dazu, sich nicht hinter solchen beschönigenden Formulierungen zu verstecken: Es habe sich um „Folter“ gehandelt; solche drastischen Methoden seien bisher gegen jüdische Verdächtige in Israel nicht angewandt worden. Durch seine Aussagen belastete sich Ben-Uliel dabei offenbar selbst. Er kannte Einzelheiten, von denen nur ein Täter wissen konnte.

          Mit dem Brandanschlag wollten Ben-Uliel und A., wie sein minderjähriger Komplize wegen einer Nachrichtensperre genannt wird, den Tod eines Israelis rächen, den Palästinenser im Juni in der Nähe von Duma ermordet hatten. Ihr Terror soll auch dazu beitragen, den Staat Israel in seinen Grundfesten zu erschüttern und zum Einsturz zu bringen. Wie Ben-Uliel gehörten viele Mitglieder der neuen Terrorgruppe früher der radikalen „Hügeljugend“ aus den Siedlungen im Westjordanland an. Doch einigen dieser jungen Siedler - die jüngsten sind angeblich erst 13 Jahre, die ältesten 24 Jahre alt - waren die „Preisschild“-Angriffe auf Palästinenser und christliche Einrichtungen nicht genug, mit denen sie reagierten, wenn zum Beispiel die Armee Siedlungen räumte. Für diese Extremisten hat Israel, wie es heute besteht, kein Recht zu existieren: Der demokratische Staat, an dessen Gesetze sie sich nicht gebunden fühlen, muss durch einen jüdischen König ersetzt werden.

          Die Radikalisierung von Teilen der „Hügeljugend“ beobachteten Polizei und Geheimdienst schon seit etwa zwei Jahren, ohne jedoch härter durchzugreifen. Die Regierung hatte sich nicht dazu entschließen können, die „Preisschild“-Angreifer als Terroristen einzustufen - mit diesen Attacken wollen die Angreifer deutlich machen, dass jeder Israeli oder Palästinenser, der es wagt, gegen Siedler vorzugehen, einen „Preis“ zahlen müsse. Israel begnügte sich damit, sie zu einer illegalen Organisation zu erklären. Erst nach dem Brandanschlag auf das deutsche Benediktinerkloster in Tabgha und nach dem Attentat in Duma griffen die Behörden härter durch.

          An Sympathisanten mangelt es nicht

          Zwei junge Israelis wurden angeklagt, am 18. Juni in der Vorhalle der Brotvermehrungskirche am See Genezareth Feuer gelegt zu haben. Im August wurde dann auch Meir Ettinger in Administrativhaft genommen; er ist ein Enkel des rechtsradikalen Rabbiners Meir Kahane, dessen Kach-Bewegung 1988 als rassistisch verboten worden war. Ettinger soll das Programm für die „neuen jüdischen Terroristen“ verfasst haben. Ein weiterer Aktivist versah es mit Handlungsanweisungen, die den Ermittlern die Arbeit schwermachten. „In jeder Siedlung und auf jedem Hügel“ sollten kleine Terrorzellen entstehen, die völlig unabhängig voneinander aktiv sind und nichts voneinander wissen, heißt es dort zum Beispiel.

          An Sympathisanten und Nachwuchs mangelt es bis heute nicht, wie der Inlandsgeheimdienst auch nach dem Attentat auf die palästinensische Familie in Duma feststellen konnte. Das gilt offenbar besonders für die oft ohne Genehmigung der Armee errichteten Außenposten im nördlichen Westjordanland, in denen sich junge Israelis aus dem ganzen Land niederließen. Viele haben die Schule abgebrochen, lassen sich von Eltern und Lehrern nichts mehr sagen. Auch Amiram Ben-Uriel und A., beide Söhne von Rabbinern, lebten und radikalisierten sich in solchen Kleinsiedlungen im kargen Bergland der besetzten Palästinensergebiete. Israelische Geheimdienstler schätzen, dass noch immer bis zu dreißig radikale Aktivisten auf freiem Fuß sind, die jederzeit wieder Attentate auf Palästinenser verüben könnten.

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