Holocaust-Karikaturen : Kalkulierte Provokation
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Das Interesse hält sich in Grenzen: Besucherinnen der zweiten internationalen Ausstellung von Holocaust-Karikaturen in Teheran Bild: AFP
In Iran findet zum zweiten Mal ein Karikaturenwettbewerb zum Holocaust statt. Ausgerechnet jetzt, da Präsident Rohani sein Land öffnen will – Zufall ist das nicht.
Alles wirkt ganz harmlos, nicht so, als wolle hier jemand zündeln oder den Westen provozieren. Die Galerie im Zentrum von Teheran könnte auch irgendwo in Berlin, Kopenhagen oder Paris residieren. Grell bemalt von außen, rechts eine Kriegerskulptur aus Stahl. Im Foyer werden Kataloge offeriert, eine Uhr an der Wand soll rückwärts laufen, damit man hellwach bleibt und nachfragt. Sie ist stehengeblieben.
Im Ausstellungsraum von Irancartoon hängen kritische Zeichnungen von Illustratoren aus der ganzen Welt. Der Gründer und Chef der Galerie, der Cartoonist Massoud Schodschai Tabatabai gibt sich freundlich, warmherzig und unterhaltsam.
Entsetzen in der westlichen Welt
Dabei ist der Mann mit dem Bart und der Hornbrille gerade Ziel scharfer internationaler Kritik. „Ich muss noch einen Brief der Vereinten Nationen beantworten“, sagt er. Tabatabai ist der Veranstalter eines „Wettbewerbes um die beste Holocaust-Karikatur“, der nun in eine Ausstellung in Teheran gemündet ist. Sie sorgt in der westlichen Welt für Entsetzen.
Die Kulturorganisation der Vereinten Nationen (Unesco) verurteilte die Schau als Verstoß gegen die universellen Werte der Toleranz und des Respektes. Das amerikanische Außenministerium sprach von einer „Trivialisierung des Holocausts, die aufhetzend“ wirke. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der in manchen der Karikaturen als Kriegstreiber dargestellt wird, forderte: „Jedes Land müsste nun aufstehen und so etwas verurteilen.“ In einer Rede vor dem Parlament bezichtigte er Iran, „den nächsten Holocaust“ zu planen.
Der Mann, der offiziell für die Ausstellung verantwortlich ist, beginnt das Gespräch mit einem Exkurs über seine eigene Geschichte. Als Freiwilliger hatte er sich für den Iran-Irak-Krieg in den achtziger Jahren gemeldet, schoss als Fotograf beeindruckende Bilder vom Grauen des Krieges. Er wurde bei einem Chemieangriff der Iraker verwundet, kam als Versehrter nach Hause. Dann griff er zur Feder, wurde bekannt und geehrt für seine messerscharfen Karikaturen gegen den Terror von IS und Al Qaida. Jede westliche Zeitung würde sie drucken.
„Es hat uns im Herzen verletzt“
Jetzt lässt Tabatabai Tee servieren. Und kommt zum Thema. „Der Westen hat erst in der dänischen Zeitung unseren Propheten Mohammed in den Schmutz gezogen“, sagt er mit Blick auf die zwölf Karikaturen, die die Jyllands Posten im Herbst 2005 druckte. „Wir haben darauf mit einem Karikaturenwettbewerb geantwortet, denn es hat uns im Herzen verletzt.“
Der erste Wettbewerb um den „besten Holocaust-Cartoon“ im Jahr 2006 in Teheran war noch vom damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadineschad gefördert worden, der den Holocaust als „Mythos“ bezeichnet hatte. Er hatte im selben Jahr auch eine internationale Konferenz von Holocaustleugnern organisieren lassen, ermutigt von seinem außenpolitischen Berater Mohammad Ali Ramin, der in Deutschland gelebt und dort Kontakte in die Neonaziszene unterhalten hatte.
Die Wiederauflage des Wettbewerbs in diesem Jahr erklärt Tabatabai so: „Als das französische Magazin Charlie Hebdo dann immer wieder Cartoons brachte, die unseren Glauben verletzen, haben wir noch einmal einen Wettbewerb um den besten Cartoon zum Holocaust ausgeschrieben.“ Wie kann man Mohammad-Karikaturen mit dem Massenmord an mehr als sechs Millionen Juden gleichsetzen, Herr Tabatabai? „Wir kennen keine Grenze für Karikaturen. Der Westen hat sie ja aufgehoben. Warum sollten wir dann nicht ein Thema aufgreifen, das dort verschwiegen wird“, fragt er zurück. Und spricht dann von „Scheinheiligkeit“.