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Bücher statt Gefängnis : Ein iranischer Richter spricht ungewöhnliche Urteile

  • -Aktualisiert am

Vergewaltigung wird in Iran mit Auspeitschung bestraft. Bild: Picture-Alliance

Normalerweise machen iranische Richter mit drastischen Urteilen von sich Reden. So verlängerten gerade Richter die Haftstrafe einer Satirikerin, weil sie ihrem Anwalt die Hand gab. Richter Qasem Naqizadeh dagegen erlässt ganz andere Urteile.

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          Zwölf Jahre Gefängnis muss die iranische Cartoonistin Atena Farghadani absitzen, weil sie Regierungsmitglieder als Affen und Ziegen zeichnete. Die Komikerin habe die nationale Sicherheit bedroht und „Propaganda gegen das System gestreut“. Bereits 2014 saß die 29 Jahre alte Iranerin drei Monate wegen einiger auf Facebook veröffentlichten Karikaturen ein. Als sie freigelassen wurde, schickte sie Schreiben an führende Politiker, in denen sie sich über die Haftbedingungen beschwerte. Sie sei Leibesvisitationen unterzogen, geschlagen und verbal missbraucht worden, klagt die junge Frau. Als sie keine Antwort erhielt, veröffentlichte sie eine Video-Botschaft im Internet.

          Dass sie aus Protest Briefe an das geistige Oberhaupt Ali Chamenei und Präsident Hassan Rohani schickte, half ihr nicht. Im Gegenteil. Anscheinend trug ihr selbstbewusstes Auftreten zum harten Urteil von zwölf Jahren Haft im Frühjahr bei. Das Strafmaß soll nun noch mal verlängert werden – weil sie ihrem Anwalt zur Begrüßung die Hand reichte, als dieser sie im Gefängnis besuchte, wie „The Independent“ berichtete. Dabei ging die Berührung wohl von dem Mann aus. Laut Anklage gegen Farghadani und ihrem Anwalt, handelt es sich um eine „uneheliche Beziehung“ zwischen den Zweien. Berichten zur Folge ist die Cartoonistin nun in Hungerstreik getreten.

          Vielleicht wäre das Urteil an einem anderen iranischen Gerichtshof anders ausgefallen. Zum Beispiel bei Qasem Naqizadeh.  Der Richter setzt auf alternative Rechtsprechungen, um „nachhaltige körperliche und psychische Einflüsse auf Verurteilten und seiner Familie durch eine Gefängnisstrafe“ zu verhindern, zitiert „BBC“ den Richter nach einer iranischen Nachrichtenagentur.

          Kriminelle will Naqizadeh also nicht einsperren, sondern zu Bücherwürmern erziehen. Die Verurteilten suchen fünf Schriften aus einem Bücherkanon aus, die sie lesen müssen. Um die ernsthafte Lektüre nachzuweisen, schicken sie selbstgeschriebene Zusammenfassungen der Werke an das Gericht. Für jeden Bildungsstand und jedes Alter soll etwas dabei sein. „Wir haben ganz einfach geschriebene, aber auch anspruchsvolle und wissenschaftliche Bücher“, so der Literatur-Richter aus Iran.

          Die gesetzliche Grundlage, die iranischen Richtern freiere Entscheidungen zulässt, ist erst seit kurzem in Kraft. Seinen alternativen Urteil sieht Naqizadeh für Kleinkriminelle, Ersttäter und Jugendliche vor.  Und die Insassen der Haftanstalten sollen auch von den Urteilen profitieren: Alle durchgelesenen Bücher gehen als Spende an die Gefängnisbibliothek. Lesende Gefängnisinsassen streiten weniger, glaubt Naqizadeh. 

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